Romeo und Julia: eines der bekanntesten Theaterstücke der Welt, wenn nicht gar das bekannteste. Sogar Hollywood hat das Drama verfilmt. Gerade so wie man es von Hollywood-Produktionen gewöhnt ist: Mit pompösen Kostümen, Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle und ganz großen Gefühlen. All das unterstützt von Shakespeares Original-Text, der alles andere als nüchtern ist. Zu viel Kitsch? Zu viel Pathos? Einen Gegenentwurf liefert das theater zwo sieben – nicht nur, weil sie keinen DiCaprio haben.
Die Regisseure Ariane Körner und Alexander Falk wollen mit der Inszenierung den Nerv ihrer jungen Zuschauer treffen. Sie haben das Stück auf knappe 60 Minuten verdichtet. Ein Klassiker, der nicht einmal Spielfilmlänge hat? An Ideen, die Tragödie kurzweilig und modern zu gestalten, mangelt es jedenfalls nicht, wie sich bei der Aufführung am 25. Juni im Hubertussaal zeigt. Wegen der Probleme im Nürnberger Nahverkehr schafft es nur eine Schulklasse zu kommen, die dafür umso aufmerksamer die Tragödie um Romeo und Julia verfolgt.
Zu Beginn liefern sich die Schauspieler einen Slowmotion-Kampf bei rockiger Musik und rhythmisch leuchtendem Scheinwerferlicht. Sie duellieren sich symbolisch, ohne Waffen. Die Fronten sind markiert: Capulet gegen Montague. Zwei verfeindete Familien treffen aufeinander. Von nun an nimmt das Unglück seinen Lauf. Unvermittelt verharren die Schauspieler, die Musik stoppt, das Licht wird gedämpft. Die Schicksalsgöttinnen greifen ein – in roten Jumpsuits heben die beiden Frauen sich von den schwarz gekleideten Charakteren ab. Sie setzen sich an ihren Tisch, vor der Bühne. Ein Klick und die Stoppuhr beginnt zu ticken. Vor sich haben sie ein Schachbrett stehen, auf dem sie die Figuren beliebig verrücken können. Das Spiel um Leben, Liebe und Tod beginnt, gelenkt vom Schicksal.
In 60 Minuten: Heirat und Tod
Romeo und Julia begegnen sich auf dem Maskenball und verlieben sich ineinander. Während um sie herum getanzt wird, steht das Liebespaar im Scheinwerferlicht. Sie gehen aufeinander zu. Sie küssen sich. Und erkennen zu spät, dass sie Feinde sind. Julia ist eine Capulet, Romeo ein Montague. „Meine einz’ge Liebe meinem einz’gen Hass entsprungen“, seufzt Julia. Originalsprache und moderne Alltagssprache werden in der Aufführung je nach Situation verwendet. So passt sie sich an das Hier und Jetzt an, ohne Shakespeares Wortkunstwerke von damals zu vernachlässigen. Es ist eine kontrastreiche Aufführung. Gerade noch schmachten sich die Liebenden an, im nächsten Moment rennen sie zu „Ready for your love“ von Gorgon City auf die Bühne. Die Hochzeit ist wie eine riesige Bühnenshow angelegt: Zwischen Tänzern und buntem Scheinwerferlicht vermählt der Pater Romeo mit Julia.
In der nächsten Szene fechten die Feinde Tybalt und Mercutio ganz klassisch mit einem Degen gegeneinander. Eine Kette von Ereignissen wird ins Rollen gebracht: Mercutio stirbt. Aus Rache bringt Romeo Tybalt um. Romeo wird verbannt. Julia nimmt Gift und ist scheintot. Romeo bringt sich daraufhin um. Julia bringt sich auch um.
Es ist erstaunlich, dass das theater zwo sieben alle Verwicklungen in 60 Minuten untergebracht hat. Allerdings folgen manche Ereignisse so schnell aufeinander, dass es wirkt, als würde das Drama im Zeitraffer erzählt werden. Vielleicht ist die Zeit doch etwas knapp bemessen, um allen Entwicklungen gerecht zu werden. In dieser Stunde erleben die Zuschauer eine schnelle Achterbahnfahrt der Gefühle mit, die bei Liebe beginnt und bei Trauer endet. Das emotionale Auf und Ab meistern die Schauspieler der freien Nürnberger Theatergruppe auf hohem Niveau. Zum Schluss stehen alle trauernd um das tote Liebespaar. Die Schicksalsgöttinnen stoppen die Uhr. Die Zeit von Romeo und Julia ist abgelaufen.
„Kein Leidensweg war schlimmer irgendwo
als der von Julia und von Romeo.“
Patricia Achter
In diesem Jahr hat das theater zwo sieben außer „Romeo und Julia“ auch „Faust“ aufgeführt. Das nächste Projekt der freien Theatergruppe ist „Idomeneus“, das am 6. und 7. Juli jeweils um 20 Uhr im Hubertussaal in Nürnberg gezeigt wird.