Wurde aber auch Zeit: Während die Republik längst Bücher von Nataša Dragnić oder Rebekka Knoll schmökert, erschien im März endlich eine Anthologie der gesamten Autorengruppe Wortwerk Erlangen, eine Wundertüte voll vielfältiger Wortakrobatik. Zwischen den Regalen, ein Geheimnis heißt das Buch und wird morgen, am Sonntag den 22. Juni dem Nürnberger Publikum im KUNO vorgestellt.
Wenn Nita Paul schreibt, werden Hunde zu Stränden, der Himmel zum besten Obdach und die Straße das wärmste Bett der Welt. Ihre Geschichte … was mit Marshmallows und Honig dreht behutsam die Welt auf den Kopf und fängt uns dort, wo eigentlich alles herunterfallen müsste, mit der Schwerkraft ihrer Worte auf. Sie ist eines der siebzehn Schmuckstücke, die ihr in der ersten Wortwerkanthologie versammelt findet. Ein Buch, für das man sich etwas Zeit nehmen sollte. Zu unterschiedlich sind die Schreibstile, zu verschieden die Themen. Hie beschwört Wortgewaltig Beowulfübersetzer Johannes Frey die Götterdämmerung in das einfache Leben seiner Protagonistin Tanja hinein, dort zwinkert uns Arno Schlick verschmitzt durch seine Bildtexte an. Nichtsdestotrotz: ist die Abfolge wohl überlegt, das Buch ein schön komponiertes Mix-Tape voller überraschungen.
Dichter am Menschen
Nicht nur für die Gruppe Wortwerk Erlangen ist es das erste Buch. Nataša Dragnić tritt hier auch erstmals als Herausgeberin auf. Sie ist das wohl berühmteste Mitglied der Gruppe und natürlich mit einer Geschichte im Band vertreten. Mit dem liebevollen Blick der Mutter Paula, sieht der Leser das junge Paar, Jan und Andrea, die zwei Mondgesichter, nach denen die Erzählung benannt ist. Es sind nur ein kurzer Schnappschuss, ein paar Erinnerungen, die durch Dragnićs Kurzgeschichte an die Oberfläche dringen. Und doch erlauben sie viel Nähe zu den Figuren.
Ganz nah dabei ist man auch in Michael Pietruchas Erzählung Erinnerungen an den Fall von Babel – jedoch nicht etwa an einer Katastrophe, sondern mitten im Familienalltag. Verfremdet wird das Geschehen durch die Perspektive: Pietrucha erzählt aus der Sicht eines fünfjährigen. Pietrucha ist aber nicht nur Erzähler, sondern vor allem Lyriker. Und zum Glück nimmt sich die Anthologie den Raum, auch Gedichte von ihm zu zeigen. Hier nämlich kommt Pietruchas melodische Sprache erst richtig zur Entfaltung:
An Tagen, an denen dein himmelblauer Blick / nach ein paar schlichten Worten auf meinen / himmelblauen Blick, mit Schwung zurück / fällt und ich schleichend hoffe auf einen kleinen / Kuss, nicht mehr, ein Lichtlein Glück, / sind vorbei
schreibt er etwa in seinem Gedicht Vergissmeinicht. Um gescheiterte Beziehungen geht es in den Texten der Anthologie erstaunlich oft, so auch in den Textenvon Caroline Hensler und Rebekka Knoll, den beiden Gründerinnen des Wortwerks Erlangen. Die beiden haben sich vor fünf Jahren an der Universität kennengelernt und spontan beschlossen eine Textwerkstatt zu gründen. Nicht zuletzt ihnen haben wir also die nun erschienene Anthologie zu verdanken, und zumindest eine der beiden, Rebekka Knoll, wird auch morgen Vormittag im KuNo für euch lesen. Im Übrigen habt ihr sicher schon gesehen, dass sie mittlerweile auch für re>flex schreibt (hier).
Morgen, am Sonntag könnt ihr neben Michael Pietrucha, Nataša Dragnić, Rebekka Knoll und Nita Paul noch Anne D. Plau, Valeria Fischer und Thomas Werner live lesen hören, Von 11 bis 15 Uhr im KuNo in Nürnberg. (Eintritt: 3 €)
Das Buch „Zwischen den Regalen, ein Geheimnis ist im art&words Verlag erschienen und kostet 12,50 €.