Seine Stücke gehören in den Grundkanon der europäischen Literatur des zwanzigsten Jahrhundert. Seine Stücke drücken Absurdität, Atheismus, Desillusionierung und Existenzialismus aus. Seine Stücke wirken oft abwegig und sinnlos – und genau dahinter verbirgt sich der Sinn der Absurdität des Daseins. Die Rede ist natürlich vom irischen Schriftsteller Samuel Beckett, der 1969 den Literaturnobelpreis erhielt und seine meisten Werke in Englisch und Französisch verfasste. Jedoch kennen die meisten nur sein Drama Warten auf Godot – und vielleicht noch Endspiel. Das möchte der Suhrkamp Verlag ändern, indem er Becketts kurze Stücke in einem Band herausgegeben hat.
Nacht und Träume heißt das rund 350 Seiten dicke Buch, das 28, teilweise wirklich kurze Theaterstücke, Hörspiele und Kurzfilme umfasst. Wie immer liegen diese Werke in der kongenialen Übersetzung von Erika und Elma Tophoven vor. Benannt ist die Sammlung nach einem Pantomime-Fernsehspiel, das selbst auch nur vier Seiten lang ist.
Einzigartiger Stil
Ganz neu sind die Texte in diesem Band unterdes natürlich nicht: Freilich lohnt es sich nicht, aus diesen Ministücken einzelne Bücher zu machen, aber allein 13 der 28 Stücke sind bereits in der Werkesammlung von Beckett (Samuel Beckett: Werke. Bd. 1: Dramatische Werke, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1976.) erschienen und konnten darin von den echten Beckettfans genossen werden.
Der Rest jedoch war in der Werksammlung noch nicht zu finden und füllt Nacht und Träume gut auf. Von Inhalt, Duktus und Länge sind sich alle Stücke auch noch (und zwar nicht nur auf einer Metaebene) erstaunlich ähnlich, was dem Buch eine angenehme Homogenität für einen Sammelband verleiht. Inhaltlich ist jede Handlung absurd, kein Sinn erschließt sich; mal wirkt dies komisch bis humoristisch, mal soll die ständige zwanghafte, dümmliche Redundanz der Protagonisten einen stark nerven.
Erst durch seinen einzigartigen Stil wird das Ganze ermöglicht: War Beckett – mehr noch in seinen Dramen, denn in seinen Romanen und Erzählungen – vor allem für seine stilistische Reduktion und Schlichtheit bekannt, wird dies in den kurzen Stücken dieses Bandes häufig auf die Spitze getrieben. Viele der Stücke sind nur sich immer wiederholende Pantomime oder bestehen aus kurzen, redundanten (und natürlich sinnlosen) Dialogen.
Gewöhnungsbedürftige Redundanz
Natürlich ist Beckett, da vieles eben wie unlogischer Nonsens erscheint, ein sehr gewöhnungsbedürftiger Autor: Bei den humoristischen Szenen soll einem beispielsweise das Lachen im Halse stecken bleiben, so hintergründig und grotesk sind seine vor stiller, impliziter Verzweiflung schreienden Akteure.

Samuel Beckett – von der Absurdität getrieben. Karikatur von Javad Alizadeh (Quelle: Wikimedia Commons/ Javad Alizadeh).
Das zeigt sich außer bei seinen bekannten Stücken, auch in diesem Band – primär beim Theaterstück Was wo: Hier, wie in vielen anderen Stücken, haben die Personen statt Namen nur Buchstaben oder Laute (wie Bam) und sind als Charaktere nicht besonders tiefgehend skizziert; sie bleiben meist nur pauschale, undeutliche Schemenfiguren. Nun wiederholt sich in „Was wo“ ständig der gleiche Ablauf, da für ein Stück oder einen Film (über Folter und Verrat) penetrant geprobt wird, sodass sich de facto der ganze Schrecken des Inhalts erst in der sisyphosartigen Redundanz ausdrückt. Jeder, der ergo den Beckettschen Stil zu schätzen weiß, wird mit diesem Buch glücklich werden, denn hier wird sein dramatisches Werk enorm komprimiert und intensiv abermals ausgedrückt!
Hier, wie in anderen Werken Becketts, ist natürlich der Gedanke der Absurdität vorherrschend, der Gedanke der Sinnlosigkeit des Daseins, der Gedanke des unsinnigen Gebrauchs so mancher intransparenter Vernunftregeln, der Gedanke der Penetranz dominanter Protagonisten, der hingenommenen Unterdrückung, die man selbst kaum als solche wahrnimmt respektive akzeptiert, auch wenn man nicht hinter die Legitimation schauen kann oder nicht so weit gehen möchte. Kein Wunder, dass man ergo von Stil und Thematik und vermeintlicher Intention Beckett häufig mit Kafka verglich. All dies bestätigt sich wieder in Nacht und Träume. Ein Muss für Beckettfans!
Samuel Beckett: Nacht und Träume. Gesammelte kurze Stücke, übersetzt von Erika und Elmar Tophoven, Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. Weitere Informationen gibt es unter: http://www.suhrkamp.de/buecher/nacht_und_traeume-samuel_beckett_42439.html
Philip J. Dingeldey
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