Sehr gut war die Stimmung beim letzten Slam vor der Sommerpause im E-Werk. Das von der Altersstruktur sehr gemischte Publikum klatschte und lachte, was das Zeug hielt. Das ist ja auch gut so. Aber wie steht es mit ernsterer Poesie?
Texte, die nicht auf Lacher abzielten, hatten es schwer vergangenen Sonntag. Obwohl einige dabei waren, die durchaus Potential hatten. Der Sonettenkranz „Tornado“ Jan Lindners beispielsweise, dessen Zusammenstellung durchaus beeindruckte, der aber auch ein nicht allzu geringes Maß an Konzentration des Zuschauers forderte. Was ein Sonettenkranz ist, erklärte der Poet zu Beginn seines Vortrages: 14+1 Sonette enthält er, wobei immer der letzte Vers des vorangehenden Sonetts den ersten Vers des folgenden Sonetts bildet. Im 15. Sonett, dem sogenannten Meistersonett, stehen alle letzten beziehungsweise ersten Verse unmittelbar hintereinander. Dass das im faszinierenden Gegenteil von völligem Wirrwarr enden kann, bewies Jan Lindner dann in seinem Vortrag. Aber irgendwie schienen Sonette, die ja doch recht direkt mit Dichtung zusammenhängen, nicht das zu sein, was man sich von einem Dichterwettstreit erwartete. Herzlich lachen wollte man. Und zwar so herzlich, dass kreative Themenwahl und Sprachfertigkeit sekundär wurden.
So schaffte es Thomas Schmidt mit seinem nicht besonders ausgefallenen Text „Man muss sehen, wo man bleibt“ ins Finale und trug hier den nächsten nicht besonders ausgefallenen Text „Früher war alles besser – Bullshit“ vor. Dass es kontraproduktiv für den Poeten sein kann, beim Zuschauer ausschließlich Vergnügen hervorrufen zu wollen, vor allem wenn es lediglich von Provokation ausgehen soll, zeigte sich an Philipp Czernys Vortrag. Er hatte sich auf „Scheiße“ versteift, die er als eingerolltes Kätzchen beschrieb, zum Vergleich mit einem Orgasmus heranzog und die ihn zu sehr naheliegenden Wortspielen wie „Alles Scheiße“ brachte. Die philosophische Erkenntnis dahinter: „Man braucht das Schlechte für das Gute“ – fragwürdig.
Provokant zeigte sich auch Musiker Nikita Gorbunov, der ankündigte sich um „die kleinen Gefühlis“ des Publikums zu kümmern und „Erdbeermarmelade“ in Anlehnung an Sadomaso-Praktiken als Safeword vereinbarte, wenn er unerträglich werden würde. Vom Safeword musste allerdings niemand Gebrauch machen, da Provokation in irgendeiner Weise mit dem Wesen des Künstlers harmonisierte und unwillkürlich zum Lachen brachte. Und gerade in seiner Rap-Zusammenfassung aller Texte vor dem Finale bewies Gorbunov Kreativität.
Kreativ zeigten sich auch die beiden übrigen Finalisten Nils Frenzel aus Bayreuth und Marvin Ruppert aus Marburg und machten deutlich, dass humorvolle Texte nicht mit Verflachung und Klischee einhergehen müssen. So berichtete Nils Frenzel, von einem an seinem Bein haftenden Putzlappen inspiriert, von Lappland. In Lappland leben überwiegend Lappen, die ihre Meinung nur relativierend äußern können, um schließlich über so überaus frappierende Tatsachen, wie die von Günter Wallraff aufgedeckte fehlende Hygiene in Burger King, erstaunt zu sein. Marvin Ruppert siegte schließlich zu Recht mit seiner Hommage an Woyzeck: Fragmentartig war der Text, Erbsensuppe wurde gegessen, die weibliche Protagonistin hieß Marie und es ging um Betrug. Das Besondere dabei: Die Reihenfolge der Fragmente wurde umgekehrt – damit aus der traurigen Liebesgeschichte eine glückliche wurde. Das brachte natürlich zum Lachen. Gleichzeitig machte Ruppert aber den Unterschied zwischen Poetry Slam und Stand-up-Comedy deutlich, den Slam-Liebhaber als Mehrwert bezeichnen könnten.
Vera Podskalsky
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Schöne Reflexion eines Abends mit sehr guter Stimmung, wie Du es selbst sagst.
Ich habe meinen Text nicht als kontraproduktiv empfunden, denn Vergnügen hat der Text schließlich ganz offensichtlich gebracht.
Du hast außerdem recht mit Deiner einleitenden Aussage: genau dieses Vergnügen sollte hervorgerufen werden.
Die philosophische Erkenntnis hast Du vermeintlich verstanden, scheiterst leider aber an der Umsetzung, sonst würdest Du das Leben vielleicht mit fröhlicheren Augen erleben.
Das tut zuweilen der Seele sehr gut.
Poetry Slam ist nicht ausschließlich Literatur, sondern darf auch mal ganz oberflächlich Spaß machen. Ich stimme Dir allerdings dahingehend zu, dass es schön wäre, wenn ein Sonettenkranz von Jan Lindner mehr gewertschätzt würde.
Schade, dass Du Paulines tollen Text nicht erwähnt hast und stattdessen lieber über mich hergezogen bist.
Vielleicht hast Du die Kernbotschaft meines Textes dann doch nicht verstanden: Fokus auf das Gute im Leben.
Danke für Deine Rückmeldung! Das, was ich ausdrücken wollte, war, dass ich den Text nicht besonders gehaltvoll fand. Über Texte, die Vergnügen bereiten, freue ich mich genauso wie du, nur kritisiere ich, wenn es ein sehr abgeflachtes Vergnügen ist. Verständlich, dass Du das bezüglich Deines Textes anders siehst und Dich ärgerst. Aber da bleibt mir nur, Dir Deinen Rat zurückzugeben: Fokus auf das Gute im Leben. Mit Paulines Text hast Du sicherlich Recht, der hätte durchaus ebenfalls Erwähnung verdient.