„Affekte“ heißt die Ausstellung im Kunstpalais, in deren Begleitprogramm sich der Poetry Slam vergangenen Samstag einreihte. „Berühren lassen im Sinne der Ausstellung“ könne man sich „und glücklich nach Hause gehen“, kündigte Moderator Lucas Fassnacht an. Aber irgendwie blieb die ganze Veranstaltung dann doch affektlos.
Die Gründe hierfür liegen nicht unbedingt auf der Hand. Das Programm des Abends klang vielversprechend. Da wäre zunächst die Band: MihalyS Theorie, Hip-Hopper aus Schweinfurt, bekannt beispielsweise vom Chiemsee Reggae Summer und auch wegen ihrer Liveband durchaus überzeugend. Aber von durch positive Vibes ausgelöstem Spontanapplaus oder gar affektartigem Aufspringen und Abtanzen konnte nicht die Rede sein. Ruhig blieb es sowohl während als auch nach dem Auftritt, was die Musiker gegen Ende ihres Auftritts mit deutlichem Unterton selbst kommentierten: „Das nächste Lied wäre eigentlich zum Springen. Könnt ihr euch ja mal überlegen.“
Auch das Slammer-Aufgebot konnte sich, obwohl es nur aus vier Teilnehmern bestand, durchaus sehen lassen. Trotzdem lief auch hier das Publikum nicht so recht warm. So sorgte Lukas Spranger aus Nürnberg, der den Anfang machte, mit seinem Text „In Zeiten des selbstkühlenden Biers oder Thermodynamik“, in dem er selbstironisch auf seine Jugend zurückblickte, über das Leben im Allgemeinen und die eigene Mittelmäßigkeit reflektierte, nur vereinzelt für Lacher, konnte das Publikum aber in der zweiten Runde mit Erlebnissen aus der Oberpfalz und der Beschreibung seines Nerd-Daseins wenigstens auf ein Mindestniveau an Reaktion bringen.
Peter Bähr aus Bamberg, der für sehr eigene und nicht immer leicht nachvollziehbare, aber durchaus anspruchsvolle und sprachlich ausgefeilte Texte bekannt ist, und dem es nach anfänglichem Stutzen sonst häufig gelingt, das Publikum mit seinen fantasievollen Geschichten zu fesseln, schaffte dies an diesem Abend nicht so recht. Obwohl die Idee eines Goldfischs hinterm dreigestrichenen C eines Klaviers durchaus Potential gehabt hätte.
Auch Clara Nielsen, die inzwischen als feste Größe im Poetry Slam gilt und an diesem Abend zusammen mit Tobias Schmolke das Finale erreichte, begann sehr fantastisch und malte eine enthusiastische Glücksszenerie mit Riesen-Lolli und Elefanten mit Sonnenbrillen und Wolkenbad, wobei sie am Ende die Frage nach dem bekannten Fall nach dem Hochmut stellte, hier ausgelöst durch zu viel Glück.
Zu viel Glück ließ das Publikum nicht erkennen, wobei zumindest das Ende des Slams die Hoffnung aufkommen ließ, dass das von Lucas Fassnacht Prophezeite doch eintreten könnte. Hierfür sorgte vor allem Finalist Tobias Schmolke, der sich unter anderem über den krampfhaften und eigentlich oberflächlichen Willen nach Einzigartigkeit mokierte, der zu Projekten wie „depressiven Chamäleons bei der Selbstfindung im Südsudan helfen“ führe. Trotzdem blieb der Applaus verhalten, als er zum Sieger gekrönt wurde und einen ausgefallenen Kunstpalais-Mikrofon-Pokal überreicht bekam.
Vielleicht passen Kunstpalais und Poetry Slam einfach nicht zusammen. Dabei war das Publikum, wie man möglicherweise vermuten könnte, kein etabliertes, das Hip Hop und Poetry Slam als nicht ernstzunehmend genug beurteilen würde. Aber vielleicht gibt es inzwischen eben doch eine bestimmte Erwartungshaltung an einen Poetry Slam. Und vielleicht laufen lichthelle mit Stuck verzierte Räume und ordentliche Stuhlreihen gegen diese Erwartungshaltung. Man könnte den Abend also als Experiment betrachten, das gezeigt hat, dass erwartete Affekte ausbleiben können. Aus dieser Perspektive passte er dann doch zum Titel der Ausstellung.
Vera Podskalsky