Das Substantiv Schreiberling ist pejorativ und bedeutet „Autor/in, der/die schlecht und viel schreibt“, so der Duden. Genau deswegen versucht eine seit 2006 bestehende Nürnberger Hobbyautorengruppe sich selbstironisch genau so zu betiteln und grenzt sich damit von anderen Autorenkonglomeraten etc. ab. Am 28. Februar präsentierte die Gruppe Die Schreiberlinge in einer Lesung ein Best Of aus den letzten Jahren.
Der Leseabend im Zeitungscafé Herman Kesten, moderiert vom Schreiberling, Autor und Verleger Peter Hellinger, war geteilt: Im ersten Teil lasen ein paar Schreiberlinge unabhängige, thematisch ganz unterschiedliche Kurzgeschichten und Gedichte vor; der zweite Teil war dem kollektiv verfassten, nicht immer ernst gemeinten Vampirthriller Vampyrus vorbehalten.
Schon die thematische Zweiteilung des Abends versprach Vielschichtigkeit, doch selbst der erste Teil war in sich sehr, vielleicht zu heterogen: Gelesen wurden Kurzgeschichten und Gedichte, Heiteres und Trauriges, Salbungsvolles und subtil Ironisches: Gabriele S. Schlegel präsentierte etwa einen autobiographischen, hintergründigen Text über eine Smartphoneverweigerin, die langsam, selbstkritisch und holprig dieser Technik verfiel; ebenso autobiographisch, harmlos, aber alltagshistorisch interessant sowie stilistisch nachdenklich stimmend war etwa Uwe Warthas neue Kurzgeschichte über eine Jungenclique, die sich die seltene Substanz Coca Cola mit allerlei Kindertricks anzueignen suchte. Zum Schreien komisch war dagegen wieder Peter Hellingers beißende Satire über einen ehemaligen Mitarbeiter eines Call-Centers und dessen tote Geschäftssprache, die in den kompletten Alltag, inklusive Eheleben, transferiert wurde. Am meisten beeindruckt hat aber wohl Verena Nagels intelligente Geschichte über eine von sich und den Eltern stets gequälte, von Ehrgeiz und Missgunst zerfressene Pianisten, ähnlich wie bei Elfriede Jellineks Die Klavierspielerin, die eine talentierte und auch optisch perfekt zum Klavier passenden Konkurrentin hinterlistig bekämpft, sich dabei selbst verrät und sogar die Erfolgschance verspielt.
Vampyrus: der nicht ganz ernst gemeinte Thriller
Homogener war der zweite Teil: der gemeinsame Thriller Vampyrus, der in der Summe der reziprok aufeinander beziehenden Kurzgeschichten einen Quasiroman ergibt und der einzige Vampirroman mit Rezepten ist. Das Buch spielt jedoch an verschiedenen Orten in Europa, aufgeteilt auf rund 400 Jahre, bis in die Gegenwart, mit teils wechselnden, teils immer wieder auftauchenden, untoten Charakteren und im Zentrum steht immer der sog. Vampyrus, ein Pergament – bestehend aus einer Vampirhaut -, das die seelische Kontrolle über Lebewesen verleiht, die darauf Blut tropfen lassen. Auch hier gab es düstere und brutale Geschichten, wie etwa von Gabriele Stegmeier, deren Story passenderweise im frühneuzeitlichen, düsteren Nürnberg spielt, bis hin zu Gerhard Schmeußers nettem und lustigen Text über einen Einkäufer im Supermarkt, der dazu angehalten wird, die vom Aussterben bedrohten Vampire zu retten.
Performativ unterstützt wurden die Vampirgeschichten noch durch ein bisschen Klamauk, nämlich das Auftreten zweier Vampirinnen im Café, die einen Gast nach etlichem Hin und Her doch aussaugten, was das Ganze noch plastisch und humoristisch unterstrich. Störend, aber kaum den Veranstaltern anzulasten, war aber die Vielzahl an privaten, ständig umher huschenden und blitzenden Fotographen.
Insgesamt handelte es sich um einen zwischen Vampiristischen, Autobiographischen, Humoristischen und Tragischen umherlavierenden, gelungen, angenehmen, sehr unterhaltsamen und größtenteils auch lustigen Leseabend mit einer Nürnberger Hobbyautorengruppe, die jedoch keinesfalls unprofessionell wirkte.
Weitere Informationen zu den Schreiberlingen gibt es unter: http://schreiberlinge.com/. Informationen zu den Büchern der Schreiberlinge gibt es unter: http://art-and-words.de/.
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