Marxfans, aufgepasst! Wenn euer Weihnachtsgeld noch nicht verplant ist, dann könnte sich Miguel Abensours Buch Demokratie gegen den Staat, erschienen im Suhrkamp Verlag und aus dem Französischen souverän übersetzt von Andrea Hemminger, lohnen. Darin geht der politische Philosoph Abensour auf die antistaatliche Demokratietheorie des jungen Karl Marx ein.
Der aktuelle Bezug zu Marx´ Demokratietheorie wird bereits anfangs gegeben: Die gegenwärtigen, globalen Proteste gegen die Herrschaft der Wirtschaftsbosse, hin zu mehr Bürgerbeteiligung, zur Partizpation, zur direkten Demokratie. Jedoch geht Abensours Ansatz eher in eine andere Richtung: Die aktuellen Diskurse spielen in seinem Buch weniger eine Rolle als vielmehr die frühen Schriften von Marx sowie seine vermeintlichen Vorläufer, durch die er ein neues, modernes Politik- und Demokratiebild vermitteln möchte – mit partiellem Erfolg.
Abensour meint, in Marx´ Demokratietheorie gäbe es ein machiavellisches Moment, nämlich die säkulare, ja, atheistische Negierung einer Religion in der Politik, wie sie zuvor in Mittelalter und früher Neuzeit postuliert wurde. Eine politische Religion gäbe es bei beiden Denkern nicht. Dieser Bezug auf Machiavelli spielt eine kontinuierliche Rolle in dem Sachbuch. Zwar ist diese Feststellung durchaus korrekt und so bislang noch nicht oft von politischen und kulturellen Theoretikern expliziert worden, aber wohl zu kurz gegriffen. Denn ein solches säkulares Weltbild, das das Politische als eigene, vernunftorientierte Sphäre der Öffentlichkeit darstellt, so interpretiert Abensour nämlich Marx, erinnert eher an die klassische politische Philosophie des Aristoteles, der in dem Buch aber keine Rolle spielt.
Die wilde Demokratie
Abgesehen von diesem nur teils gelungenen Ansatz des Machiavellischen im frühen Marx ist diese Darstellung von Marx´ Demokratietheorie eindeutig lesenswert. Diese wilde oder rebellische Demokratie, wie Abensour diese Theorie nennt, ist eine andere Demokratie als viele sie heute sehen: erstens, als wesentlich direkter und umfassender in den Sphären von Politik, Kultur und Sozioökonomie und zweitens, als zwar hochgradig politisch, aber antistaatlich. Was zuerst paradox anmutet, hat in Abensours Interpretation schon Hand und Fuß: Ein Staat – auch das wirkt ein bisschen aristotelisch – stellt immer eine Herrschaftsform da, die Demokratie dagegen sei eine Politik der Herrschaftslosigkeit, im Sinne von Freiheit und Gleichheit.
Das gesamte Buch liest sich flüssig und locker, bis auf die sehr anspruchsvolle Einleitung und ist äußerst interessant. Nur leider bleiben die Ansätze von Abensour, wie zumindest auch beim jungen Marx, eher abstrakt. Wie so eine herrschafts- und nonstaatliche, also wilde Demokratie vonstatten gehen soll, ob dies dann eher eine Anarchie, statt eine Demokratie wäre, das wird nicht aufgeklärt. Dennoch bietet es für Freunde des marxschen Denkens viele neue und wichtige Ansatzpunkte für einen Teil von Marx Denken, der vor diesem Buch eher wenig Rezeption fand.
Miguel Abensour: Demokratie gegen den Staat. Marx und das machiavellische Moment, übersetzt von Andrea Hemminger, Suhrkamp Verlag, Berlin 2012. Gebunden, 269 Seiten, 24,95 Euro. Weitere Informationen unter: http://www.suhrkamp.de/buecher/demokratie_gegen_den_staat-miguel_abensour_58574.html
Philip J. Dingeldey