Psychoanalytische Anregungen konnten zwei Tage lang anhand von elf ganz unterschiedlichen Filmen gewonnen werden, die beim vierten Symposion Psychoanalyse und Film im Casablanca in Nürnberg gezeigt wurden. Mindestens genauso viel Stoff für Psychoanalyse bot aber auch die Diskussion mit Regisseur Antonin Svoboda im Anschluss an Der Fall Wilhelm Reich.
Der Film zeigt die letzten zehn Lebensjahre des umstrittenen und in den USA zur Haft verurteilten Psychoanalytikers, der sich mit der Erforschung einer kosmischen Energie, die er „Orgon-Energie“ nannte, beschäftigte, sehr früh vor der Gefahr von Radium warnte und außerdem als „Orgasmuspapst“ für Empörung sorgte.
Hermetischer Analytiker, empörtes Publikum und entspannter Regisseur
Zunächst konnte aus der Diskussion, wenn man Kommentator Prof. Dr. Jörg Wiesse zuhörte, die Erkenntnis gewonnen werden, dass Psychoanalytiker selbst sich gerne hermetisch geben, indem sie sich in nicht nur akustisch sondern auch inhaltlich unverständlichen Ausführungen verstricken, um auf zahlreichen Um- und Irrwegen zu einer Frage an den Regisseur zu gelangen. Diese bestand wohl letztlich in dem Vorwurf einer Idealisierung Wilhelm Reichs.
Daraus ergaben sich weitere psychoanalytische Erkenntnisse, wenn man die Rezipientenschaft betrachtete: Hier war der kritische Geist ehemaliger 68er Rebellen zu spüren, die Wilhelm Reich vor allem wegen seines Dagegenseins grundsätzlich befürworteten, weswegen die Möglichkeit einer Idealisierung von vorneherein ausgeschlossen war. So drückten zwei bis drei Meinungsführer und schließlich der gesamte Kinosaal lautstark ihre Empörung über Wiesses Vorwurf aus, um in der anschließenden Publikumsrunde den Film vor jeder Frage noch einmal zu loben. Aus soziologischer Sicht wäre die Diskussionsrunde also sicher auch anregend gewesen, zumindest trug man hier keine von Reich diagnostizierte „zwanghafte Maske der Höflichkeit und Selbstbeherrschung“.
Relativ entspannt blieb bei der ganzen Veranstaltung der Regisseur selbst: nachdem ihm kurz danach war, den Kinosaals zu verlassen, schien es ihm zu gelingen, Reichs „Orgon-Energie“ zu aktivieren. Er zeigte seriöse Kritikfähigkeit, erklärte ruhig, eins zu eins das erzählt zu haben, was tatsächlich passiert sei und dass eben niemand wisse, was eigentlich Geschichte sei.
Die Grenze zum Irrationalen
Und dass der Film gründlich recherchiert die letzten zehn Jahre aus Reichs Leben wiedergibt, kann nicht bestritten werden. Gleichzeitig illustriert er überzeugend, wie empfindlich die Gesellschaft auf Menschen reagiert, die in untypischer Weise zu kritischen Erkenntnissen gelangen. Und wer Reich kurz vor seiner Verhaftung mit einer Maschine aus verschiedenen Rohren in der Wüste stehen sieht, um Regen zu erzeugen, der kann selbst entscheiden, inwieweit er ihn als Spinner abtut oder sich auf ungewöhnliche Erklärungsmuster einlässt. Schließlich sei es auch darum gegangen, wie weit man hier Grenzen überschreiten könne, erklärte Svoboda. „Sein Sohn hat mir selbst erklärt, an seinem Geburtstag habe es geregnet und Reich habe dafür gesorgt, dass die Sonne scheine. Was glauben Sie, was für ein geiler dramatischer Effekt das gewesen wäre? Aber das habe ich herausgelassen – so etwas glaubt einem ja keiner“.
Vera Podskalsky