Die erstmals vom Theater Erlangen allein ausgerichteten Glockenspiele versuchen die Tradition des Interaktiven fortzusetzen. Leider ist alles gespielt.
Glockenspiele haben mich zuvor als Besucher immer überfordert, ich wusste selten, wie mich verhalten, wie reagieren. Jederzeit war man in Gefahr in einen Erzählfaden hineinzurutschen, sich zu verlieren an einer Station. Dass es diesmal anders werden würde, war zu erwarten. Der Glockenabend am 14. November gestaltete sich in dieser Hinsicht sehr zuschauerfreundlich. Ob das gut oder schlecht ist, darüber mag man jetzt streiten. Hier soll es nicht entschieden werden.
Der ganze Abend präsentierte sich als trashige Fernseh-Liveshow. Darin sollte für die junge Schauspielerin Anika Herbst ein Mensch gefunden werden, der zu ihr passt wie die Faust aufs Auge. Vierundzwanzig Stunden ihres Lebens wurden ausgewertet, ihre Rituale, Leidenschaften und Schrullen wurden verzeichnet und den Zuschauern gezeigt. Unter ihnen wurde vorgeblich nach dem perfekten Freund für Anika gesucht. Am Ende gewinnt einer, der nicht gerade den Eindruck macht ein zufälliger Gewinner aus dem Publikum zu sein. Wie dem auch sei: Eine echte Erfahrung ist dieses Glockenspiel nicht.
Totalüberwachung ist eine schlimme Sache. Sie greift in unser Leben auf nicht kontrollierbare Weise ein, macht uns zu Menschen, die wir nicht sein wollen, obwohl wir sie vielleicht sind. Was kann dieser Abend in den Glockenlichtspielen bieten, was uns aufrüttelt, was uns über die Aufführung hinaus beschäftigt? Leider gelingt der Anstoß nicht, Anika Herbst passiert schließlich auch nichts schlimmes, im Gegenteil: Sie findet ihren besten Freund.
Eines ist jedenfalls sicher: Die Glockenspiele sind nun irgendwie anders. Daran muss man nicht verzweifeln, ganz und gar nicht. Aber so gefällig müssten sie nun nicht sein. Gerade eine experimentelle Bühne könnte sich mehr Innovation erlauben. Dem aktuellen Glockenspiel würde man etwas mehr Elan wünschen, etwas mehr Esprit. Da hilft es auch nicht, dass sich die Intendantin köstlich amüsiert.
Timo Sestu
Die Nachsichtigkeit des Verfassers ehrt diesen in gewisser Weise, die Milde der Kritik ist dennoch unangebracht. Das Spiel der Darsteller mit dem unmotivierten Treiben einer Horde halbsedierter Affen zu vergleichen, wäre eine eklatante Beleidigung der Affen. Wie ausgebildete (?) Schauspieler und Regisseure sich zu einem derartigen Dilettantismus hinreißen lassen können, ist unbegreiflich.