Gestern feierte Maxim Gorkis Tragikomödie Kinder der Sonne in der Produktion des Stadttheaters Fürth im Kulturforum seine Premiere, inszeniert von Uwe Weiherer – mit mäßigem Erfolg. Das Stück, das Gorki 1905 im Gefängnis schrieb, handelt von der Frage der Gleichheit und der moralischen Verwerflichkeit der Menschen.
Im Haus des Chemikers Pavel Protassow trifft sich im Drama die russische Intelligentija, bestehend aus seiner von sog. Anfällen geplagten Schwester Lisa, Boris Tschepornoj, der ewig um Lisa buhlt, die ihn liebt aber nie erhört, Boris reich verwitweter Schwester Melanija, die wiederum Pavel liebt, der damit nicht umgehen kann und ihr so das Herz bricht und Pavels vernachlässigte Ehefrau Jelena, die sich fast mit dem Künstler Dimitri Wagin einlässt. Dieser egozentrische Zirkel ist von der Außenwelt und der Seuche abgeschlossen und sinniert darüber, dass der Mensch als rationales Wesen gut und durch Kunst und Erziehung ein Kind der Sonne werden könne. Dies wird aber oft durchbrochen durch Lisas Anfälle – ihre einzigen klaren Momente – wenn sie feststellt, dass die Welt aus Gewalt, Ungerechtigkeit und Blut bestehe oder den aggressiven Auftritten des Schlossers Jegor, als Sinnbild des Proletariers, ein seine Frau schlagender, primitiver und paranoider Trinker. Dieser bewegt die Gruppe dazu, die sonnige Erhabenheit nicht dem Pöbel zuzuschreiben.
Weiherer hat dieses großartige Stück genommen, modernisiert, mit Ironie übermalt und zugespitzt. Die meisten Charaktere, die ursprünglich naiv, pathetisch und idealistisch waren, tragen hier ihre Reden in ironisch-arroganter Manier vor, die das Ganze effektiv verfremdet. Höhepunkt dessen ist die Darstellung des Boris durch Jörg Scheiring, der vollends den zynischen Tierarzt gibt und meint, der Mensch wäre gerne gut, sei aber zu dumm und habe es nicht anders verdient. Die heftige Ironisierung vieler Rollen schloss damit für den Zuschauer jedes Missverständnis des Stücks aus, überließ aber nichts der eigenen Interpretation.
Simplifizierte Klassenkämpfe
Klar zu bemängeln ist die Vereinfachung des Klassenkampfes: Was bei Gorki meist nur unter der Oberfläche schwelte, wird hier expliziert – die Unterdrückung des Proletariats. Dabei erscheint nur Jegor als Prototyp des Proleten. Andere Rollen, wie seine Frau, sein Freund, der Portier und die Kinderfrau Antonowna wurden einfach gestrichen. Umso trauriger wirkt es, wenn sich der Hass auf die Unterschicht nur auf Jegor konzentriert, wenn nur er die Beleidgung der im Dunklen stehenden Unterschicht durch die im Lichte stehende elitäre Oberschicht personifiziert – fast ein Brechtisches Motiv. Schwach wirkt auch der Schluss, der bei Gorki einen Volksaufstand darstellte, und hier nur auf eine Aggression des Jegor reduziert wird. Das Dienstmädchen Fima wird zur stehlenden Prostituierten, der Vermieterssohn zum Zuhälter und der Rest zur Arrogantija ostentativ simplifiziert. Ergo wirken diese Rollen im Klassenkampf zu stereotyp. Einen Ausbruch bietet die Darbietung der Lisa durch Rike Frohberger, die auch noch den Part der Antonowna übernimmt, und somit nicht nur in ihren Anfällen klar das Unrecht benennt, sondern auch, wie die Kinderfrau, nüchtern kritisiert. Leider ist dies psychologisch nicht stringent.
Die Bühne dagegen ist sehr gelungen, da die Szenenbilder reduziert, vermischt und verfremdet werden.
Abschließend ist zu bemerken, dass zwar die Mehrheit der Schauspieler ihre Rollen gut darstellen, aber an Dramaturgie und Inszenierung noch zu feilen ist. Leider nahm das Publikum diese Version der Kinder der Sonne eher verhalten an.
Die nächste Aufführung ist heute, 08.11.2013, um 20 Uhr im Kulturforum Fürth (Große Halle), Würzburger Straße 2, 90762 Fürth. Weitere Informationen zu den Spielzeiten und Tickets unter: http://www.stadttheater.fuerth.de/stf/home.nsf/contentview/60F3D068410099F0C12571D4003564AF
Philip J. Dingeldey