Schattenspiel und Pantomime in „Das Blaue Licht“

 

Das_blaue_Licht_(Flyer)Es gibt Wohnzimmer-Konzerte. Im AMVI, in der Glücksstraße 3, gibt es auch Wohnzimmer-Theater. In einer gemütlichen Atmosphäre werden dem Publikum kleine feine Inszenierungen präsentiert, in einer angenehm altmodischen Weise. „Das Blaue Licht“ begeistert mit herrlich simplem Schattenspiel, ausgefeilter Pantomime und Bildern, die in ihrer Art ein ganz klein wenig an den großen Robert Wilson erinnern. Neben den Bildern fällt die Botschaftder Inszenierung jedoch etwas hinten herunter. re>flex hat sich mit Regisseur Julian Schuppe getroffen und über seine Inszenierung gesprochen.

 Reflex: Wie kommt man darauf, „Das Blaue Licht“ zu inszenieren?

Julian: Ich hatte Lust, einen Stoff zu nehmen, den eigentlich jeder kennt – also ein Märchen – damit man sich als Team voll und ganz darauf konzentrieren kann, die Geschichte über Bilder zu erzählen, teilweise auch über abstrakte Bilder, ohne dass der Zuschauer in der Handlung nicht mehr mitkommt. Märchen bedürfen jetzt keiner großen Erklärung, die sind eigentlich allgemein verständlich. Dieses Märchen selber, das ist mir einfach wieder eingefallen, das hab ich irgendwann mal als Kind gehört. „Das Blaue Licht“ hat meiner Meinung nach sehr schöne Figuren, die böse Hexe, das böse Elternpaar, Held und Heldin, und dieses magische Element. Vor allem auch vom Titel her hat es mich angesprochen – „Das Blaue Licht“ – das schreit förmlich nach einer optische Umsetzung. Und das hat für mich einfach dann sehr gut zusammengepasst.

 Reflex: Es sind ja auch vor allem die Bilder, die deine Inszenierung dominieren, nicht der Dialog.

Julian: Genau.

Reflex: Woher stammt der Text?

Julian: Also, den habe ich zum Teil aus dem Original, von Grimm und Andersen. Den Rest hab ich selber entfremdet oder dazu geschrieben. Einige Szenen sind ganz pantomimisch. Gerade weil der Text nicht mehr die tragende Rolle inne hat, wollt ich den dann auch noch abstrahieren und deswegen hab ich englische Formulierungen mit rein genommen, diese in den Raum geworfenen Wortfetzen und die Reime. Das kann man dann auch so interpretieren: Das Englische könnte zum Beispiel das Hochnäsige vom Adel darstellen, vor allem der Witz an der ganzen Sache ist ja auch, dass es kein gutes Englisch ist. Für mich macht es einen großen Reiz aus, wirklich skurrile Charaktere auf die Bühne zu bringen. Die Verfremdung spielt da eine ganz große Rolle.

Reflex: Wo sieht du beim Blauen Licht den aktuellen Bezug zu heute?

Julian: Heute finde ich es einfach mal wieder schön, was altmodischeres zu sehen. Ich finde, im modernen Theater, da laufen sie meistens mit Jeans rum oder begießen sich mit irgendwelchen Flüssigkeiten. Irgendwie find ich, das hat jetzt schon was schönes Klassisches. Auch, dass man den Theatervorhang wieder einbaut, im Gegensatz zu dem ja heute eher der Eiserne benutzt wird – aber das haben wir hier keinen – …was sehr Klassisches. Auch das Schattenspiel ist etwas sehr Altertümliches. Es reizt mich einfach, mal wieder so ein Urstoff auf die Bühne zu bringen. Und im Original zum Beispiel, bei Grimm, da waren die Eltern gar net so genauer charakterisiert. Und ich hab mich dann gefragt: „Was bedeutet das eigentlich, dass sie ihre Tochter so einsperren“? So bin auf Alice Miller gestoßen und „Die schwarze Pädagogik“, die sie kritisiert. Ich hab mir viele solcher Fragen gestellt: Was steckt eigentlich so dahinter, hinter so einem Märchen. Letztendlich zeig ich also auch die düsteren Seiten. Zu aktuellem politischen Geschehen hat’s jetzt keinen Bezug. Eher in der Richtung: Was haben Märchen für eine Bedeutung für uns.

Reflex: Ich find schon, dass es zwar vielleicht keinen politischen Bezug hat, doch aber einen zu uns Menschen und wie wir ticken und warum.

Julian: Ja, ich glaube das macht generell die Märchen aus, die wurden ja lange Zeit nur mündlich überliefert, dadurch steckt eine gewisse Lebensphilosohie dahinter. Das ist auch das Schöne: Ich möchte dem Zuschauer nicht zwingend eine Aussage präsentieren, sondern möchte, dass jeder selber danach schauen kann, was er für sich herauszieht oder was ihn anspricht. Das mag ich immer sehr. Viel Raum zu bieten für den Zuschauer. Nicht klar festzulegen, sondern zu sagen: Jeder kann sich so seine eigenen Sachen herausziehen, je nachdem, was er gerne sehen möchte.

Reflex: Du deutest ja an, dass dieser Georg ein Verhältnis mit der Königin hat und es wird ja auch deutlich, oder weniger, dass der Soldat mit der Prinzessin ein Verhältnis hat. Aus unserer heutigen Sicht ist es ja schon sehr lieblich dargestellt. Warum ist da nicht noch ein bisschen mehr?

Julian: Es war eigentlich witzig, weil gerade die Darsteller sich eigentlich gewünscht haben, da nicht so putzig zu sein, sondern mehr auf die Kacke zu hauen. Aber ich finde, es macht den Reiz aus, gerade mal auf Vieles zu verzichten und seine Phantasie spielen zu lassen. Das ist der Reiz von einem Märchen. Und im heutigen Theater, wo jeder nackt über die Bühne läuft, da ist es auch mal wieder schön, Grenzen zu stecken und auch einfach mal, wie gesagt, die Phantasie anzusprechen, einfach mal nur anzudeuten. Man versteht es ja trotzdem. Man muss es nicht zeigen, damit es verstanden wird.

Reflex: Und diese Prinzessin, die ist ja traurig. Traurig zu sein, ist jetzt erst mal nicht besonders attraktiv. Sie ist also nur schön und anmutig. Warum findet dieser Soldat sie so spannend?

Julian: Zuerst kommt er ja auf die Idee sie sehen zu wollen, weil sie eine Person ist, die niemand zu sehen bekommt. Er ist ein Krieger, Jäger. Das reizt sozusagen den Mann in ihm. Eine Frau, die er nicht bekommen kann, die zieht ihn an. Und gut, dann ist es also dargestellt, wie in typischen Märchen: Sie sehen sich und sie verlieben sich sofort ineinander. Aber er spürt letztlich, dass er ihre Rettung ist, denn er holt sie ja aus der Gefangenschaft dieser Eltern heraus. Und das spürt er auch und möchte sie da erretten. Ganz romantische Vorstellung, so zu sagen. Das wäre jedenfalls meine Sichtweise. Das war etwas, das ich nicht deutlicher herausarbeiten wollte. Das kann sich jeder selber überlegen.

Reflex: Gibt es etwas, von dem du sagst: Deswegen ist mein Stück spannend, deswegen lohnt es sich, es sich anzusehen?

Julian: Ich finde, es ist etwas Anderes als das, was man so gewöhnlich sieht. Weil es ziemlich bildästhetisch ist. Auch dieser vollkommene Verzicht auf den Text, das ist selten, finde ich. Ansonsten denke ich: es ist ein Märchen, was man auf diese Art und Weise noch nie zu sehen bekommen hat. Ich wollte auch mal was, das nicht ständig auf den Bühnen gespielt wird und in den Spielplänen steht. Meine letzte Inszenierung – „Woyzeck“ – war da ja das krasse Gegenteil. Es besteht natürlich die Gefahr, dass es nichts zu Kräftiges ist. Viele denken wahrscheinlich auch: Das ist ja nur ein Märchenstoff, aber es ist ja nicht für Kinder inszeniert. „Das Blaue Licht“ ist durchaus eine Inszenierung, die für alle Generationen funktioniert, außer eben für ganz kleine Kinder.

Wer es heute Abend noch nicht zur Premiere geschafft hat, hat dazu noch morgen – Samstag, den 29.6. – 18.00 Uhr, oder am 30.6./2.7. jeweils 20.00 Uhr Gelegenheit dazu. Viel Spaß!

 

Das Interview wurde geführt von Paula Linke

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.