Mittsommer in Erlangen

Erlanger Theater feiert am 8.06.2013 die Premiere von „Eine Sommernacht“! Vera Podskalsky war dabei.

Foto: JOCHEN QUAST

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„Es ist Mittsommer. In Edinburgh.“ Bob und Helena, beide 35, Single, im Normalo-Leben irgendwie gescheitert und eigentlich sehr unterschiedlich, treffen in einer Bar aufeinander. Sie betrinken sich gemeinsam, haben Sex, treffen sich am nächsten Nachmittag durch eine Verkettung eigenartiger Zufälle wieder und beschließen, eine ungewöhnliche Nacht miteinander zu verbringen.

Soweit die Handlung von „Eine Sommernacht“, die dem Prototyp der amerikanischen Liebesschnulze zu entsprechen scheint. Mit Liebesschnulzen beginnt auch die Vorführung in der Erlanger Garage, Filmszenen aus Klassikern wie „Dirty Dancing“ werden eingespielt.

Postmoderner Illusionsraub

Doch sehr schnell wird deutlich, dass die britische Komödie von David Greig und Gordon McIntyre keine stereotype Liebesgeschichte ist: „Es ist Mittsommer. In Edinburgh. Es regnet. Zwei Leute haben Sex.“ Ironisch-distanziert und abgeklärt-kühl berichten Bob und Helena auf der fast leeren Bühne abwechselnd von ihren gemeinsamen Erlebnissen und schlüpfen dabei in postmoderner Manier gleichzeitig in alle Figuren, die in der Geschichte eine Rolle spielen: So mimt Helena zum Beispiel einen dicken Chinesen-Gangster-Boss, der den Kleinkriminellen Bob mit Aufträgen unter Druck setzt. Als die beiden Protagonisten nach einer Bondage-Panne aneinandergebunden in einer Bar zurückgelassen werden, tauschen auch sie für kurze Zeit die Rollen. Postmodern sind außerdem die Handlungsalternativen, die dem Publikum zu Beginn angeboten werden: „Nein, das hat Helena nicht gesagt. Eigentlich sagte sie…“

Statt romantisch seichter Liebesschnulze also Illusionsraub, auf den der Zuschauer sich einlassen muss. Das gelingt vor allem deswegen, weil die Schauspieler Gitte Reppin und Matthias Zeeb in den unterschiedlichsten Rollen brillieren und Komik erzeugen, ohne lächerlich zu wirken.

Foto: JOCHEN QUAST

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Unromantische Romantik

So kann das Publikum teilhaben an einer im wahrsten Sinne des Wortes wahnsinnigen Nacht, in der Bob und Helena 15 000 Euro aus einer Plastiktüte verprassen, ihren Edelwein mit Punks und Pennern teilen und zu ohrenbetäubender Rockmusik in Ekstase geraten.

Irgendwie ist das Ganze also doch romantisch. Und nachdem Bob und Helena am nächsten Morgen gemeinsam nach Belgien aufgebrochen sind, holt Regisseur Jakob Fedler diese grotesk-verzerrte, nicht durch illusorische Vorstellungen geprägte und der Wirklichkeit vielleicht viel ähnlichere Romantik von Edinburgh nach Franken: Der letzte Filmeinspieler zeigt eine alte Frau beim Strip für ihren Ehemann, der sie in tiefstem fränkischen Dialekt dafür lobt – während er in seinem Sessel einschläft.

Vera Podskalsky

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