Kathrin Penk war für re>flex bei Azouz Begag!
Wer der Einladung zur Lesung des bekannten Soziologen, Schriftstellers und ehemaligen französischen Ministers für Chancengleichheit Azouz Begag folgt, erwartet in erster Linie eines: eine fundierte Meinung, jede Menge Informationen und einen sachlichen und damit einhergehend etwas trocken-akademischen Vortrag. Zumal das Thema seines neusten Sachbuches „Bouger la banlieue. L’intégration en question.“ (dt.: „Bewegung in die Vororte bringen. Die Integration in Frage gestellt“) nicht gerade ein Quell der Fröhlichkeit und die Integrationspolitik spätestens mit den Vorstadtunruhen seit 2005 ein wunder Punkt für viele Franzosen ist.
Demzufolge ist das beachtliche Publikum im Hörsaal der Geografie gespannt auf die detaillierte Sicht eines Kenners der Problematik, der – selbst Kind algerischer Einwanderer – in ebensolchen Wohnvierteln aufwuchs und sich in seiner akademischen und politischen Laufbahn für die Rechte der Einwanderer und Minderheiten in Frankreich einsetzte.
Integration als Kabarett
Viele Details liefert auch Azouz Begag , er bleibt jedoch weit entfernt von einer akademischen Darstellung der Sachlage, ganz zu schweigen von der Präsentation seines Buchs. Der Zuhörer gewinnt eher den Eindruck eines One-man-Kabaretts über die Stolpersteine, die einem algerischen Jungen beim Aufwachsen in seinem „Eldorado“ Frankreich in den Weg gelegt wurden. Von Beginn an nutzt Begag die großen Gesten und die ganze Bühne des Hörsaalpodiums, um an seinem Lebensweg die Mängel der Integrationspolitik und die Erwartungen der Zuwanderer zu veranschaulichen.
Ist die Umsetzung vielleicht für den Rahmen der Veranstaltung etwas populistisch, tritt seine Kernbotschaft dafür umso deutlicher heraus: Der wahre Schlüssel zur Integration in eine Kultur ist das Erlernen ihrer Sprache. Zuerst gilt es, das „Hirn zu füllen“, bevor man dasselbe mit seinen Taschen tun kann.
Sprachenwirrwarr
Aber wann ist man integriert? Wann ist man ein richtiger Franzose (respektive Deutscher, Engländer, …)? Hier fügte sich endlich auch Begags konsequenter Sprachenmix aus Französisch, Englisch und Deutsch zu einem sinnigen Bild: „Was wir brauchen that’s une identité universelle!“ Die zunächst verwirrenden Sprachwechsel gehören zu seinem Konzept: Es gehe nicht um eine nationale Identität. In einer Zeit, in der Jugendliche nicht mehr aus- sondern in der Welt umherwandern, solle man von der Idee einer nationalen Identität Abstand nehmen und vielmehr von einer universellen Identität sprechen.
Zu einfach?
Seine beinahe kindgerechte – möchte man schon sagen – Inszenierung nimmt diesem brisanten Thema zwar die Komplexität, verleitet aber auch dazu, die Dinge zu einfach zu sehen. Gerade in der anschließenden Diskussion zeigt sich Begag für Bedenken an seinem Standpunkt taub. Auf Fragen antwortet er nicht direkt, sondern wiederholt stattdessen Passagen aus seinem Vortrag. Ein richtiger Austausch kommt daher nicht zustande. So verlässt man zwar unterhalten und mit einigen Anregungen zum Nachdenken den Hörsaal, mehr als einen Erfahrungsbericht nimmt man jedoch nicht mit.
Kathrin Penk