Richard ist ein selbstgerechter, alternder Schauspieler. Er trinkt zuviel, ist verbittert über das Leben und erfolglos. Mit seiner Art hat er jede Kollegin vergrault und steht kurz vor dem Aus seiner Karriere.
Die Produktion, an der er gerade probt, steht auf Messers Schneide. Die einzige Person, die ihn jetzt noch retten kann, ist Lies. Lies und Richard standen 20 Jahre gemeinsam auf der Bühne. Sie haben viel gemeinsam erlebt, eine kurze Affäre war auch dabei.
Am vergangenen Freitag präsentierte das Stadttheater Fürth „Der letzte Vorhang“ von Maria Goos anlässlich der bayrischen Theatertage.
Lebensentscheidungen
Lies hat sich in den letzten zehn Jahren jedoch ein anderes Leben aufgebaut. Sie hat einen reichen Arzt geheiratet und führt ein geregeltes, sorgenfreies Leben in Südfrankreich.
Da ihr Richard immer noch etwas bedeutet, reist sie extra aus Frankreich an, um neben ihm die Rolle zu spielen, die damals auch schon beim gemeinsamen Abschlussprojekt an der Schauspielschule auf dem Plan stand.
Gemeinsam mit Richard lässt sie sich in alten Erinnerungen treiben, muss ein weiteres Mal über ihre zehn Jahre alte Entscheidung nachdenken.
„Was wäre gewesen, wenn ich damals…?“ Diese Frage stellt sich jeder Mensch mindestens einmal im Leben. Für Lies hätte ein Leben an Richards Seite mit Sicherheit bedeutet, von ihm mit in den Abwärtsstrudel gerissen zu werden. Dafür hätte sie ihr Leben vielleicht um einiges intensiver gelebt. Das Stück, das Lies und Richard gemeinsam proben, scheint eine merkwürdige Antwort auf diese Frage zu geben. Zwei Menschen, die sich ihr Leben lang treiben lassen, so lange bis sie am Ende ihrer Kräfte sind. Die einander bereuen und doch nicht anders gehandelt hätten.
Am Ende muss sie sich entscheiden. Lies weiß schon seit zehn Jahren, dass Richard nicht zu retten ist. Ihr Leben in Frankreich hat sie zu schätzen gelernt. Und so fällt ihre Entscheidung auf Walther und für Richard der letzte Vorhang.
Ein Stück über die Liebe und Leidenschaft zum Theater
Michaela Domes und Hartmut Volle spielen mit großer Hingabe viele Ebenen durch, die ineinander greifen. Die Szene, in der sich die letzte Kollegin von Richard abwendet geht in eine Szene über, in der Lies diese Kollegin gekonnt nachäfft. Der gesamte Zeitraum der Proben bis zur Premiere wird zu einem einzelnen Handlungsstrang, der mit Erinnerungen vermischt wird, die die beiden Revue passieren lassen.
Die Namen Richard und Lies sind nicht zufällig gewählt sondern klingen an das berühmte Hollywoodpaar Elisabeth Taylor und Richard Burton an, die gemeinsam „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ spielten, das auch eine große Parallele zu den Leben der beiden herstellte.
Das Stadttheater Fürth präsentierte ein wahres Meisterwerk der Unterhaltung. Die vielen humorvollen Momente wurden gekonnt umgesetzt. An dieser Stelle ist auch die schauspielerische Leistung der beiden Darsteller Hartmut Volle und Michaela Domes unter der Regie von Werner Müller zu loben. Werner Müller inszeniert öfter in Fürth, ebenso wie der Schauspieler Hartmut Volle ein nicht selten gesehener Gast im Stadttheater ist. Auch Michaela Domes ist dem Publikum als festes Mitglied des Nürnberger Ensembles bereits vertraut.
Der Abend war unterhaltsam und berührend, aber darüber hinaus abgeschlossen. Eine ältere Generation wird ihn in seiner Nachwirkung möglicherweise intensiver erlebt haben. Auch die Darstellung auf der Bühne war nach außen sehr stark abgeriegelt. Das Publikum wurde zwar mitgerissen, aber nicht mit einbezogen. Ob das bei diesem Stück wünschenswert beziehungsweise möglich gewesen wäre, ist aber auch fraglich. Am Ende fällt eben der Vorhang.
von Anna Greger