Anna Stärtzel und Christian Meier waren für re>flex im Markgrafentheater!

Abbildung 1: Fotograf: GERT KIERMEYER; v.l.: Band unten: Jimi Siebels, Winfried Wittkopp, Benedikt Zimmermann;auf der Bühne: Thomas Prazak, Matthias Zeeb, Daniel Seniuk, GitteReppin, Janina Zschernig, Violetta Zupancic
Stell dir vor, du kommst ins Theater und wirst mit Jazz begrüßt. Rauchige Saxophonklänge vermischen sich mit sanfter Klaviermusik und leisen Gitarrenakkorden während sich der Saal mit dem angeregt plauderndem Publikum füllt. Eine Stimmung wie an einem lauen Sommerabend und genau die richtige Stimmung für die Aufführung von: Der Große Gatsby.
Der Große Gatsby wurde 1925 von F. Scott Fitzgerald veröffentlicht und bereits in mehreren Fassungen auf die große Leinwand (weltbekannt 1974 mit Robert Redford in der Hauptrolle und ab Mai 2013 erneut in den deutschen Kinos zu sehen, diesmal mit Leonardo di Caprio) beziehungsweise auf die Theaterbühne gebracht. Die in Erlangen seit dem 12. April 2013 (Premiere) zu sehende Fassung von Rebekka Kricheldorf hatte bereits im Januar 2012 am Schauspielhaus Hamburg ihre Uraufführung. In der fränkischen Universitätsstadt bildete Der Große Gatsby einen mehr als gelungenen Auftakt zur Werkschau: Romanadaptionen des Erlanger Markgrafentheaters (12.-18. April 2013).

Abbildung 2: Fotograf: GERT KIERMEYER;
v.l.: Matthias Zeeb, Daniel Seniuk, Gitte
Reppin, Violetta Zupancic
Das Ensemble um das Regieteam Mirja Biel / Joerg Zboralski schafft es von Anfang an, die ausgelassene Stimmung der sogenannten „Roaring Twenties“ in das markgräfliche Theater zu bringen und das Publikum in den Bann des mysteriösen Jay Gatsby (Thomas Prazak) zu ziehen. Die Bühne prägt ein massives hölzernes und beidseitig bespieltes Drehelement, wobei eine Seite über und über mit Lampen besetzt ist und an den Hintergrund einer Showbühne erinnert. Die Rückseite hingegen dient sowohl als Nick Carraways (Daniel Seniuk) einfaches Heim als auch als Tankstelle und ärmliche Behausung von Myrtle (Janina Zschernig) und George Wilson (Benedikt Zimmermann, der in einer Art Doppelrolle auch den Pianisten in der anwesenden Band mimt).
Eingeleitet wird die Aufführung durch eine Art filmischer Schnellzusammenfassung der Highlights des Großen Gatsby, gefolgt von einführenden Worten von Nick, der wie in der Romanvorlage während der Aufführung auch immer wieder das Wort ergreift und somit das Publikum als eine Art Erzähler durch den Abend führt. Der Zuschauer hat somit stellenweise das Gefühl als würde ihm der Roman Fitzgeralds vorgelesen werden, dies wird auch durch die zwischendurch auf das Drehelement projizierten Sätze verstärkt und gipfelt schließlich in einer Szene gegen Ende der Aufführung, in welcher Nick Mister Gatz (Gatsbys Vater, gespielt von Winfried Wittkopp) bittet, ein Gespräch zwischen ihm und Jay aus einem gedruckten Exemplar von Der Große Gatsby vorzulesen.
American Dream und Ku Klux Klan
Eine Liebesgeschichte? Vielleicht! Auf jeden Fall aber das Drama des Jay Gatsby, der alles dafür tut, seine große Liebe Daisy (Gitte Reppin) zurückzuerobern, dabei jedoch nicht nur an Daisys „grobschlächtigem“ und untreuem Ehemann Tom (Matthias Zeeb) scheitert, sondern letztendlich auch an seinem eigenen Idealismus.
Ebenso gelungen wie die schauspielerische Leistung der Akteure an diesem Abend ist die durchgängige Kritik am „American Dream“ und dem übertriebenen Verhalten der Gesellschaft in den 1920er-Jahren, deren Maßlosigkeit nahezu perfekt inszeniert wurde. Der Schluss der ansonsten durchaus runden und stimmigen Inszenierung fällt jedoch zu plakativ und provokant aus: Neben Uncle Sam, Dagobert Duck, Ronald McDonald, der Freiheitsstatue und einer Indianerin lassen Biel und Zboralski auch ein Mitglied des Ku Klux Klan aufmarschieren und gemeinsam „What The World Needs Now Is Love“ schmettern. Zwar mindert diese letzte Szene nicht die berechtigte Begeisterung des Premierenpublikums, notwendig wäre sie jedoch nicht mehr gewesen.
Anna Stärtzel/Christian Meier