Hannah Arendt wird als denkende Frau dargestellt. Immer wieder sitzt oder liegt sie, die beruhigende Zigarette in der Hand, den Blick in die Ferne gerichtet. Denken, das hat sie vor dem Krieg als Studentin bei Heidegger gelernt, bei ihm hat sie sich zum ersten Mal die Frage gestellt, warum Leidenschaft und Vernunft so gegensätzlich sein sollen. Warum soll es nicht auch ein leidenschaftliches Denken geben? Doch nicht alle verstehen ihren Ansatz: An der Universität in New York kennt man sie als die analytische Philosophin ohne Gefühl – typisch Hannah – und wirft ihr eben diese Gefühllosigkeit, vor allem ihrem Volk gegenüber, nach ihren Artikel über den Eichmann-Prozess vor. Dabei zeigt der Film Frau Arendt sehr wohl als gefühlsvolle Frau, die von ihrem Mann Heinrich einen Kuss und einen Klaps braucht, um arbeiten zu können, die eine große Liebe für ihre Freunde verspürt und die, laut ihrem Mann, unter den Nachrichten von den Ereignissen in Europa während des Krieges sehr litt. Eben aus diesem Grund will er nicht, dass sie geht und sich erneut den schrecklichen Themen aussetzt und eben aus diesem Grund lässt sie sich die Chance nicht entgehen und fährt für die Eichmann-Prozesse nach Jerusalem.
Dort muss sie sich die Zeugen anhören, deren grausame Geschichten vom Sterben ihrer Familien und vom Kampf ums Überleben. Genial ist die filmische Lösung, die originalen Bild- und Tonaufnahmen des Prozesses als Filmmaterial zu integrieren, ohne damit eine Irritation hervorzurufen. Es ist faszinierend, was gute Schnitttechnik alles vermag. Natürlich leidet Arendt während der Gerichtsverhandlungen. Am meisten aber leidet sie unter der Erkenntnis, dass dieser Mann – Adolf Eichmann – so überhaupt nicht das dämonisch teuflische Monster ist, das sie erwartet hat. Arendt erkennt diesen Mann als einen ganz normalen, beeinflussbaren und beflissenen Menschen, der nicht weiter denkt als bis zu den Grenzen seines Aufgabenbereichs. Dieses Phänomen, das sie als die eigentliche Ursache des strategischen Mords an so vielen jüdischen Menschen sieht, nennt sie die „Banalität des Bösen.“ Für die Veröffentlichung ihres philosophischen Ansatzes ohne Wehklage wird Hannah Arendt geächtet.
Barbara Sukowa hängt man an den Lippen, sobald sie den Mund aufmacht. Sie spielt hervorragend, ehrlich und glaubwürdig. Doch nicht nur sie, auch ihre Umgebung ist von Margarethe von Trotta liebevoll gestaltet. Jede der Figuren um Hannah Arendt herum ist scharf und verständlich gezeichnet. Julia Jentsch als ergebene Assistentin Lotte Köhler, sowie Ulrich Noethen als bewundernder und später tief enttäuschter Hans Jonas, Hannahs geliebter Mann Heinrich Blücher (Axel Milberg), sowie auch vor allem Janet McTeer als ihre burschikose Freundin Mary McCarthy und Kurt Blumenfeld (Michael Degen) sind wundervoll besetzt, authentisch gespielt und in Szene gesetzt. Hier hat jemand großen Spaß am Film!
Hier gibts den Trailer.
Zu sehen in den Lammlicht-Spielen,
u.a. heute ab 20:15,
18.01: ab 17:45, 20:15
19.1.: ab 15:15, 17:45, 20:15
20.1.: ab 15:15, 17:45, 20:15
Paula Linke