Mit dem Christkönigssonntag am 25. November endet das Jubiläumsjahr 1000 Jahre Bamberger Dom: Anlass für eine kleine Serie über Kathedralen und das Smartphone. Sie haben mehr gemeinsam als dies auf den ersten Blick erscheint.
Durch ein Symposium zu seiner Geschichte, eine Reihe von Orgelkonzerten, eine Sonderausstellung im Diözesanmuseum und die Installation von moderner Kunst trat der Bamberger Dom deutlicher als sonst ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Im Gästebrief des Erzbistums schrieb Erzbischof Dr. Ludwig Schick: „Diese Kathedrale von Weltrang ist zuerst ein Haus Gottes für die Menschen“. Ihre Funktion hat sich im Lauf der Jahrhunderte oft gewandelt, denn jede Epoche hat dem Bauwerk ihren Stil aufgeprägt.
Wie andere Kathedralen auch ist der Bamberger Dom ein Sinnbild des himmlischen Jerusalem und eröffnet für seine Besucher einen virtuellen Raum. Die Grenzen zwischen Touristen und Gläubigen, die den Dom aufsuchen, sind fließend. Welcher neutrale Besucher ist nicht angetan von der würdevollen Fassade, von der Erhabenheit des Raumes und seiner Ausstattung. Der 1012 geweihte Heinrichsdom brannte 1081 und 1185 nieder. Beim Wiederaufbau im dreizehnten Jahrhundert entwickelte sich der Stil vom Ost- zum Westchor weiter. An den Türmen und im Langhausgewölbe lässt sich der Übergang von romanischen Rundbögen zu gotischen Spitzbögen beobachten, die höher und auch filigraner wirken. Die in Bamberg tätigen Bildhauer und Steinmetze haben den gotischen Stil aus Frankreich mitgebracht. Die Westtürme des Bamberger Doms sind der Kathedrale von Laon nachgebildet, über deren Türme der Bildhauer Auguste Rodin schrieb: „Die drei Türme von Laon, von weitem gesehen, sind wie Standarten, die den wahren Ruhm der Menschheit tragen.“ Die vier Türme des Bamberger Doms verankern ihn und die darunter liegende Stadt im Himmel, gleichzeitig streben sie entsprechend dem Motto des Domjubiläums ‚dem Himmel entgegen‘.
Die gotischen Kathedralen sind aus dem Zusammenspiel aller Berufe und der damals modernsten Technik entstanden. Sie haben die gesamte Gesellschaft vereint und ihre Heilsvorstellung repräsentiert. Das Fürstenportal des Bamberger Doms zeigt Christus als Weltenrichter mit den zwei Optionen am Lebensende – entweder zu den Verbannten oder zu den Seligen gerechnet zu werden, deren Gesichtszüge mit vorher nicht gekannter Lebendigkeit erscheinen. In der Moderne hat sich die Funktion und Faszination der Kathedralen auf andere, profane Objekte übertragen. Als „eine große Schöpfung der Epoche, die mit Leidenschaft von unbekannten Künstlern erdacht wurde und die (…) von einem ganzen Volk benutzt wird, das sich in ihr ein magisches Objekt zurüstet und aneignet“, nannte Roland Barthes 1957 das Automobil „die zeitgemäße Entsprechung der gotischen Kathedrale“1. In seinem Essay „Der neue Citroen“ preist Barthes die Fensterflächen, die makellose Verarbeitung und das Erscheinungsbild des Wagens mit der Seriennummer DS 19. Das Auto wurde la déesse – „die Göttin“ – genannt, weil es vom Himmel herabgefallen schien. Fortbewegung und Geschwindigkeit wurden darin zum Selbstzweck.
Dieselbe Faszination, die Barthes dem Auto zugeschrieben hat, bringen viele Menschen heute ihrem Smartphone entgegen. Auf den Prototyp des internetfähigen Handys, das iPhone übertragen, sind es wie bei der ‚DS‘ die Verarbeitung und die makellosen Oberflächen, die die Benutzer faszinieren – beim Auto, weil es die Menschen in Bewegung bringt, beim Smartphone, weil es sie verbindet. Während sich im Auto Fahrersitz und Cockpit als Kathedra (= Bischofssitz) deuten lassen, scheint eine religiöse Dimension des Mobiltelefons weniger offensichtlich. Unter dem Motto „Heilig. Heilig?“ zeigte eine Kunstausstellung in Weißenohe in der Fränkischen Schweiz am Beginn des 21. Jahrhunderts Darstellungen von handelsüblichen Handys, sorgfältig von Hand gemalt von Melanie Kyrieleis mit religiösen, ikonenhaften Motiven im Display. Ein Handy zeigt eine Mutter Gottes, das Werk heißt „Ihre Verbindung wird gehalten“. Dieses Versprechen erfüllt das Smartphone mit dem permanenten Zugang zum virtuellen Raum des Internet.
Thomas Werner