Rainald Grebe inszeniert Grimms Märchen – nichts für Kinder!

© R.Arnold/Centraltheater

Wussten Sie, dass es von Grimms Märchen eine Fassung für Erwachsene gibt? Die allererste Ausgabe im Jahre 1812 hatte noch nicht all die christlichen und moralisierenden Elemente der Fassung, die wir heute kennen. Im Laufe der Jahre wurden sogar noch einzelne Geschichten ausgetauscht. Viele der Märchen, die wir zudem als typisch deutsche Märchen kennen, wurden von den Hugenotten – die ja aus Frankreich stammten und von dort vertrieben wurden – erst in den Norden getragen. Und die Frau, die den Gebrüdern damals die meisten Geschichten für ihre Sammlung erzählte, war keine alte Bäuerin, sondern eine gebildete Schneiderin aus der Stadt, mit französischen Wurzeln. Rainald Grebe hat sich tief in die Thematik um Grimms Kinder- und Hausmärchen begeben und daraus, zusammen mit dem Ensemble des Leipziger Centraltheaters, ein dreistündiges, sehr amüsantes und volkstümliches Stück gemacht. Dabei hat man das Gefühl, als hätte er vorher eine riesengroße Stoffsammlung gemacht. „Grimms Märchen“ erinnert in seiner Form sehr an die, der Grebe treu bleibt, seit er in Leipzig inszeniert: Schon in „Karl-May-Festspiele“ war man Gast einer unterhaltsamen, informativen Show mit großem Spaßfaktor. Grebe liebt es, einfach alles, was er an Stoff zu einem Thema gefunden hat, in einen einzelnen Abend zu packen. Er streckt seine Fühler dabei wirklich in jede erdenkliche Richtung aus und schreckt niemals davor zurück, die Menschen, über die er spricht, auf die Bühne zu holen. Hatte man in den Karl-May-Festspielen Winnetou-Fans aus ehemaligen Hippie-Kommunen und ein Pferd auf der Bühne, kommt man dieses Mal in den Genuss von echten sächsischen Großmüttern.

© R.Arnold/Centraltheater

Es werden Märchen erzählt – vom Froschkönig, vomFischer und seiner Frau, vom Hasen und dem Igel und das Märchen vom Machandelboom – eine Geschichte über häuslichen Kanibalismus. Oben auf dem Balkon bruzelt die böse Hexe im Sauna-Ofen, die Zwerge purzeln einer nach dem anderen aus einem hohen Bücherregal – eines der Elemente eines wirklich bezaubernden Bühnenbildes (Jürgen Lier), der kleine eklige Frosch mit der großen Zunge tanzt mit dem bösen Wolf. Zwischendurch wird gesungen, in Grebes typisch legeren Art und mit der Musik von Jens-Karsten Stoll. Ohne ein so vielfältiges Schauspielteam wäre dieser Abend nicht möglich. Wohl bekannte Schauspieler des Leipziger Ensembles (wie z.B. Barbara Trommer und Andreas Keller), neue Mitglieder (Edgar Eckert, Ingolf Müller-Beck, Tilla Kratochwil, Sven-Sebastian Hubel) und auch Klaus-Dieter Werner – auf dessen Kosten wegen seiner Kleinwüchsigkeit liebevolle Witze gemacht werden – machen den Abend zu einem einzigartigen Erlebnis.  Grebe selbst spielt mit, spielt beide Gebrüder Grimm gleichzeitig, ist der Showmaster und der scharfzüngige Moderator.

© R.Arnold/Centraltheater

Das Schöne an Grebe’s Stücken – und vermutlich auch der Grund, weshalb sie in Leipzig immer wieder den Saal füllen – ist ihr regionaler Bezug, ihre Volkstümlichkeit, ihre Nähe zum Publikum. Und auch wenn es Strecken gibt, in denen das Fest der Volksmusik sich zu nah anfühlt und es nicht Grebe’s Stärke zu sein scheint, die Dinge dramaturgisch zu raffen – ein solcher Abend kann also sehr lang werden – präsentiert er eine neue mögliche Form der Kommunikation der Stadttheater im allgemeinen mit ihrem Publikum. Es ist kein intellektueller Anspruch, den er da hat, sondern der Drang nach guter Unterhaltung.  Jedenfalls kann man auf keinen Fall behaupten, er würde seine Zuschauer schlecht unterhalten aus seinen Aufführungen entlassen (er entlässt sie generell nicht gern) und man kann ihm zugute halten, dass er Themen, die zurzeit vielleicht nicht in den Top-ten stehen, wieder ins Bewusstsein holt.

Rainald Grebe – voll und ganz – können sie in weiteren Vorstellungen im Leipziger Centraltheater erleben, das nächste Mal am 8. November, 19.30 Uhr. Viel Spaß!

 

Paula Linke

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