„Tartuffe“ am Theater Erlangen

Foto: JOCHEN QUAST; Marie Bretschneider, Ralph Jung, Hermann Große-Berg, Oliver Konietzny, Regine Vergeen

Orgon: „Herr Schwager, kennen Sie ihn erst, und dann…
Sie sind entzückt, begeistert, hingerissen!
Das ist ein Mann… ein Mann… kurzum, ein Mann!“

Wer kennt ihn nicht: Den geschniegelten Hausfreund, den der Herr Papa so unwiderstehlich vernünftig und moralisch findet und den alle anderen nicht ausstehen können, entweder, weil er in Wahrheit ein gelackter Betrüger ist, oder weil er aus einem unerfindlichen Grund tatsächlich das geworden ist, was er ist. Genau so einen finden wir in Tartuffe. Schon die erste Szene über kichert es überall in den Rängen. Der Hund (Emmy) ist begeistert von diesem Publikum. Und wir von ihm! Aber nicht nur von ihm. Mit „Tartuffe“ ist Dominik von Gunten (Regie) am Theater Erlangen ein angenehmer Abend voller Witz und Schalk gelungen. Zwei kurzweilige Stunden Moliere’s Gedankenwelt und Sprache.

Es ist erstaunlich, wie modern beides scheinen kann -wie in der Inszenierung des Produktionsteams um von Gunten: Sowohl Linda Best (Dramaturgie) als auch Carolin Mittler und Charlotte Sonja Willi (Bühne und Kostüm) ist es gelungen, zwischen der Welt von Moliere und der Unseren zu vermitteln.

Aber die, die man letztendlich auf der Bühne agieren sieht, sind nun mal die Schauspieler. Eine schöne Idee des Hauses war es, gleich an den Beginn der Spielzeit die Premiere eines Stückes zu legen, in welchem viele Rollen besetzt werden können. So kommen wir in das Vergnügen, fast alle der neuen Schauspieler des Ensembles zu begutachten. Und das Ergebnis ist grandios! Gleichzeitig können wir uns über ein Wiedersehen mit denen dem Ensemble erhalten gebliebenen Schauspielern aus der letzten Spielzeit freuen! Hermann Große-Berg als verblendeter Orgon und Robert Naumann als durchgreifender Vater spielen wundervoll. Nach dem Abend bleiben mir vor allem zwei der Figuren in Erinnerung: die der Ehefrau Elmire – faszninierend schräg interpretiert von Marie Bretschneider – und die des Schwagers,  Cleant – gespielt von Ralph Jung. Beiden Figuren haben die Schauspieler Ticks und Attitüden angedichtet, die den Abend auf herrlich amüsante Weise würzen. Dass Dorine als toughes Hausmädchen zu allem ihre direkte und korrekte Meinung sagt, rechne ich Moliere an. Für solche Figuren schätze ich seine Texte. Trotzdem ist auch die Besetzung dieser Rolle hervorragend getroffen mit  Janina Zschernik.

Foto: JOCHEN QUAST; Thomas Prazak, Marie Bretschneider

Dominik von Gunten hat ganz offensichtlich Spaß an Klamauk. Oft entstehendie skurrilsten Situationen auf der Bühne, dass  ein Moment länger ausgehalten wird, als nötig. Leider beschränkt sich dieses Phänomen zeitweise nicht nur auf die komödiantischen Szenen. Man hat in der Erlanger Fassung viel vom Text gekürzt und versucht den übrig gebliebenen so würzig und spritzig wie nur möglich zu verarbeiten. Das ist auf jeden Fall gelungen. Doch hätte man noch radikaler kürzen können. Vielleicht wären dann die unangenehmen Längen zwischendurch verschwunden. Dazu kommt, dass Tartuffe (Thomas Prazak) – eigentlich ja der Ekel des Stückes – ganz im Gegenteil nicht unsympatisch scheint. Man versteht ihn und das ist seltsam. Denn wo ist dann derjenige, gegen den gekämpft werden muss? Den einzigen Konflikt, der bleibt, bilden die an der Heirat Mariane’s mit Tartuffe scheiternden Träume der Kinder Orgons. Aber sind diese Liebschafts-Träume der Kinder wirklich ernst zu nehmen? Mir erscheinen sie eher lapidar. Die Inszenierung sprießt zudem von spannenden Ideen. Einige davon hätten noch konsequenter verfolgt werden können.

Trotz alledem  ist „Tartuffe“ ein Stück, welches sich lohnt, anzusehen. Auf jeden Fall für Moliere-Begeisterte, Theaterbegeisterte und Freunde der vergnüglichen Abenden.
Und überhaupt:

Dorine: „Am schnellsten wird die andern schmähn,
Wer selbst was hat auf seinem Kerbholz stehn.
Wo die nur irgend etwas aufgegabelt,
Das eines Zweifels Schein erlaubt,
Da wird’s mit Freude ringsherum gefabelt,
Daß alle Welt wer weiß was glaubt.
Die Taten andrer werden bloßgestellt,
Damit man ihre eigenen verzeiht […]“

Die nächsten Vorstellungen finden am 21.10. 15.00 Uhr, 07.10.  18.00 Uhr, 08.10./
20.10./07.11./8.11.  19.30 Uhr im Markgraftheater, Theaterplatz 2, 91054 Erlangen statt.

Paula Linke

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