Mit „Genannt Gospodin“ hatte Philipp Löhle seinen Durchbruch. Der 1978 in Ravensburg geborene, seit 2008 bereits Hausautor an mehreren renommierten Theaterhäusern Deutschlands – dem Maxim Gorki Theaters Berlin, dem Nationaltheater Mannheim und nun dem Staatstheater Mainz – war ursprünglich mal einer von uns. Wer hätte das gedacht: Löhle absolvierte sein Studium in Geschichte, Deutscher Literatur und Theater-und Medienwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen. Sein erstes Stück „Kauf-Land“ wurde 2005 am Theater Erlangen unter der Regie von Katrin Lindner uraufgeführt. Gleichzeitig drehte Löhle Kurzfilme, mit denen er auch bei den Erlanger StummFilmMusikTagen vertreten war. Seitdem war er zuerst in Berlin, wo er Praktika in Film, Fernsehen, Werbung und Journalismus absolvierte und dann in Baden-Baden, wo er als Regieassistent sein erstes Stück selbst inszenieren durfte. 2007 wurde Löhle zum Dramatiker-Treffen des Theatertreffens eingeladen und gewann dort den Werkauftrag des tt Stückemarktes. Sein Stück „Genannt Gospodin“ wurde 2008 für den Mühlheimer Dramatikerpreis nominiert und brachte seinem Autor den Förderpreis des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ein. Jetzt wird „Genannt Gospodin“ am Theater Erlangen aufgeführt, unter der Regie von Kathleen Draeger und der Dramaturgie von Linda Best, mit der Bühne und den Kostümen von Lydia Hofmann. Reflex hatte das Glück, mit dem Autor sprechen zu können.
Reflex: Wie hat es dich denn nach Erlangen verschlagen, du kommst aus Ravensburg?
Löhle: Eigentlich bin ich eher in Baden-Baden aufgewachsen. Und dann habe ich mich für Theater- und Medienwissenschaften beworben – eigentlich, weil ich immer irgendwas mit Film studieren wollte – und wurde in Leipzig genommen und in Erlangen und fand dann Erlangen besser, weil in Leipzig nur die Theaterwissenschaften angeboten werden. Aber ich musste auch erst mal nachsehen, wo, in welchem Bundesland überhaupt, Erlangen liegt.
Reflex: Wie war das, als Erstsemesterstudent im Experimentiertheater zu sitzen und sich seine zukünftigen Professoren und Dozenten anzusehen?
Löhle: Also was ich noch weiß vom Erstsmesteranfang: dass es da Brezeln gab und dass der Bürgermeister gesagt hat „Man weint zweimal; das erste Mal, wenn man nach Erlangen kommt und das zweite Mal, wenn man wieder geht“, oder so. Er wollte wohl sagen, dass da keiner hin will und dann aber auch nicht mehr weg.
Reflex: Und war das bei dir so?
Löhle: Hm. Also ich wollte schon irgendwann weg, aber das hatte nichts mit der Stadt zu tun. Sondern: man studiert dann da fünf Jahre – das ist ja auch perfekt zum Studieren, großartig, , weil überall WG-Parties sind und überall was los ist und die Uni ja auch sehr gut ist – aber dann möchte man irgendwann den Standort wechseln. Man will ja weiter. Also ich hätte ja auch nicht in Baden-Baden studieren wollen, selbst wenn das möglich gewesen wäre.
Reflex: Ich hab gelesen, du warst dann nach dem Studium erst in Berlin und hast verschiedene Praktika gemacht und hast auch Filme gedreht, also Kurzfilme…
Löhle: Kurzfilme hab ich eigentlich mehr in Erlangen gedreht. In Berlin hab ich ein Praktikum gemacht, das war so ein Trippel-Praktikum, dann war ich bei der UFA in Potsdam und dann bei der TAZ und bei einer Werbeagentur. Die Informationen für die Bewerbung hab ich damals noch in Erlangen an der Germanistik-Bibliothek entdeckt.
Reflex: Und dann warst du Regieassistent in Baden-Baden, richtig?
Löhle: Genau. Nach dem Praktikum hab ich dann bei der UFA gearbeitet und dann hab ich irgendwann gedacht: „Dieses ganze Fernsehzeug oder das, was ich da gerade mache, das kann’s nicht so richtig sein, ich möchte doch was anderes machen.“ Und dachte dann: „Ich werde jetzt Regieassistent“, ohne dass ich irgendwie an irgendeinem Theater gearbeitet hatte.
Reflex: In Erlangen warst du also auch nicht am Theater?
Löhle: Fürs Erlanger Theater hab ich mal was geschrieben, was dann Katrin Lindner inszeniert hat – die auch in Erlangen studiert hat. Wie auch Dominic Friedel – der hat in Erlangen in meinem ersten Stück gespielt und hat inzwischen schon zwei Sachen von mir gemacht und macht das Dritte im nächsten Jahr. Die trifft man sowieso überall wieder, diese Erlanger. Ich war so erstaunt: Da heißt es während des Studiums immer „Das ist alles für’n Arsch“. Auch auf so einer Veranstaltung – ich weiß nicht, ob es die jetzt noch bei euch gibt: „Studium für’n Arsch“– ; ich hab mich immer geweigert, dort hin zu gehen, weil ich mir gedacht hab, ich hab da jetzt keinen Bock, mir dieses Zeug anzuhören, dass das alles nicht klappt – obwohl sie, glaub ich, auch Leute eingeladen haben, dies geschafft haben. Wenn man aber fertig ist und feststellt, dass das eigentlich ganz gut geht und dann in der Dramaturgie oder im Marketing, in der Regie oder auch bei den Autoren die Erlanger trifft – die rennen ja überall rum, die Erlanger -, dann denkt man sich: „Das hat einem beim Studium nie jemand gesagt, dass das eigentlich schon gut funktioniert. Also auch beim Radio sind viele gelandet, oder beim Fernsehen, oder in der Werbung, irgendwie kommen die alle irgendwo unter.
Reflex: Das ist aber sehr schön zu hören!
Löhle: Ja, ich fand das echt immer doof. Im Studium, oder auch mein Vater, der dann sagte: „Ja, was bringt das? Was macht man damit?“ Und man sagt dann: „Naja, weiß ich ja auch nicht.“ Das sagen ja eh alle Leute. Aber man sollte sich, glaub ich, eher an diese Zahl halten, dass nur 3% der Akademiker arbeitslos sind. Und diese 3% kommen nicht aus Erlangen. Es gab dann so Angstwellen, in denen Leute die Theater-und Medienwissenschaften doch ins zweite Nebenfach verbannt haben oder auf Lehramt umgeschwenkt sind oder so was, eigentlich relativ schade. Ich finde, da wurde eine Angst geschürt, von der ich jetzt weiß, dass sie nicht gerechtfertigt ist.
Reflex: Ja, die Angst haben wir tatsächlich alle: Deshalb finde ich es so schön, was du gerade gesagt hast. Das tut so gut und es ist auf jeden Fall gut, wenn die Erstsemester das hören!
Löhle: Ja, diese Angst ist völliger Quatsch. Ich habe mir übrigens von André Studt sagen lassen, dass das Interesse an diesen ganzen Dingen, die man nebenher machen könnte, weniger geworden ist – also im Experimentiertheater inszenieren, Kurzfilme drehen, Redaktionen gründen. Also ich habe festgestellt, dass das schon eine Menge bringt. Ob man jetzt Autor wird – was mit sehr viel Zufall und Glück zu tun hat – oder nicht, ist ja egal. Von meinem halben Erasmus-Jahr in Rom profitiere ich jetzt immer noch. Zum Beispiel war ich bei einer Veranstaltung in Rom und habe mit einem italienischen Regisseur zu tun, mit dem ich italienisch reden kann, oder anderes Beispiel: Ich habe gerade einen Kurzfilm gedreht, und konnte auf meine Kurzfilm-Erfahrung aus Erlangen zurückgreifen. Also irgendwie hab ich immer das Gefühl, das ganze Zeug, das man so nebenher macht, das kommt dann irgendwann wieder zurück.Und es ist doch so: 50% studiert man in der Uni und 50% studiert man in der Kneipe. Weil man dort diskutiert und sich Sachen ausdenkt, Projekte ausheckt. Das ist vielleicht nicht so wichtig für ein Studium wie BWL, wo man einen Stundenplan hat, wo man hingeht und am Ende bekommt man einen Stempel wo drauf steht, was man alles kann, aber in unserem Fall hat das auch viel mit Eigeninitiative zu tun, was wir nach dem Studium mitnehmen.
Reflex: Naja, das ist irgenwie nicht mehr so einfach, oder sagen wir, es ist schwieriger geworden, mit dem Bachelorsystem. Nicht unbedingt in Theaterwissenschaften, die Zweitfächer sind oft zeitraubender.
Löhle: Ja, das hab ich mir auch sagen lassen. Soll blöd sein. Aber es gibt ja auch die Möglichkeit, ein Jahr länger zu studieren und dafür für solchen Quatsch Zeit zu haben.
Reflex: Nochmal zurück. Wie kam es, dass du plötzlich Hausautor am Maxim-Gorki-Theater wurdest? Das ist ja schon noch mal ein Sprung.
Löhle: Ja, also die haben mich angerufen (lacht). Ja, es klingt komisch, wenn man von außen drauf guckt, da sieht das alles so groß aus. Aber wenn man tatsächlich mitmacht, da ist das plötzlich alles ganz einfach. Im Endeffekt hatte das schon damit zu tun, dass ich beim Theatertreffen in Berlin bei dem Workshop einen Preis gewonnen hab und dann dieses Stück – „Genannt Gospodin“- relativ erfolgreich aufgeführt worden ist. Da kommt dann so etwas wie diese vier Wochen in England heraus, und so. Und dann hat irgendwann Armin Petras angerufen, ob ich da mal vorbei kommen will. Da hatte ich mir gerade eine Currywurst gekauft, weil ich so Hunger hatte und dann verschenkt – an irgendeinen hungrig aussehenden Mann – weil ich keinen Hunger mehr hatte, nachdem er aufgelegt hatte. Das ist dann schon aufregend, wenn das alles von alleine passiert; dass das Telefon klingelt und man gefragt wird: „Willste nicht,“ und so.
Reflex: Klingt sehr gut. Klingt doch irgendwie so, als könne man mit diesem Studium irgendwas machen.
Löhle: Ja, das stimmt, genau. Vielleicht stimmt es, dass es mit dem Bachelor nicht mehr so einfach ist. Aber vielleicht stimmt auch, dass es cleverer sein kann, wenn man seinen Abschluss hinaus zögert, wenn es einen interessiert und dann aber auch noch was rein gibt. Dafür ist es eben kein Studium, wo man 320 Knochen auswendig lernen muss. Also vielleicht ist es das ja inzwischen? Also jedenfalls, zu meiner Zeit…(lacht).
Reflex: Nein, nein, es geht noch. Hab vielen, lieben Dank für das Gespräch!
Paula Linke