Tausche Cocktail gegen Menschenleben

Thomas Schmidt (vorne), Steffen Riekers (knieend), Hermann Große-Berg, Sophie Wendt, Linda Foerster (von oben nach unten) @ GERT KIERMEYER

Mit zehn Euro kannst du die Welt verändern. Du kannst Menschen vor dem Hungertod bewahren, eine Schule in Afrika mitfinanzieren oder den Urwald retten. Andererseits ist das Geld auch für eine Kinokarte gut investiert, eine neue Sonnenbrille wäre auch nicht schlecht oder vielleicht sind die zehn Euro im Sparstrumpf doch am besten aufgehoben, wegen der Finanzkrise und so. Ist es nicht heuchlerisch, sich für einen Abend ein gutes Gewissen zu kaufen? Nur um dann zufrieden in das verschwenderisches Leben mit den Sonnenbrillen und Cocktails zurückzukehren? Diese Fragen stellt sich das Stück „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“, das am 10.05.2012 im Markgrafentheater Erlangen Premiere feierte. In Jakob Fedlers Inszenierung versuchen fünf Personen eine Spendengala für eine Schule in Guinea-Bissau auf die Beine zu stellen, sind sich aber uneinig, wofür das Ganze überhaupt gut sein soll.

Lieber zynisch in einer Ecke sitzen bleiben und abwarten, dass die Welt vor die Hunde geht. Oder wenigstens dekadent das hart verdiente Geld verschleudern, bis alles zu Ende ist. Das findet Rainer (Thomas Schmidt), der Benefiz für ein Konzert-Synonym hält und nicht so genau weiß, ob jetzt eigentlich acht oder achtzig Millionen Menschen jährlich sterben. Und die Kinder, für die er Geld sammeln soll, sind ihm irgendwie auch egal. Er weiß sowieso nicht so genau was ihr Problem ist. Wahrscheinlich Hunger, Aids und Bürgerkrieg und was die noch so alles da unten in Afrika haben. Denn wer kennt sich bei all den Bedürftigen und Katastrophen überhaupt noch aus? Es werden immer mehr, die ihre Finger nach der eigenen Brieftasche ausstrecken. Passend dazu lässt Bernhard Siegel WWF-Logo, Aids-Schleife und Euro-Sparschwein über sein Bühnenbild schweben.

Eva, gespielt von Sophie Wendt, will sich für die Probleme aller uneingeschränkt engagieren. Sie hat das ungute Gefühl für das Elend der Welt allein verantwortlich zu sein. Deshalb will sie helfen. Allen. Klappt das nicht, fängt sie an zu weinen. Die Schuldgefühle sind zu groß. Der schwierige Wechsel zwischen Heulsuse und verbissener Weltverbesserin will nur leider nicht so ganz funktionieren und die Figur wirkt unglaubhaft und gekünstelt.

Dafür brilliert Linda Foerster als  Rampensau Christina, die die Benefizveranstaltung als Bühne für ihr Ego missbraucht. Das selbstgefällige Grinsen will auch bei Elendsgeschichten nicht von ihrem Gesicht weichen, zu schön ist das Gefühl im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu stehen. Während die andern noch planen, inszeniert Christina lieber schon ihren dramatischen Auftritt auf der grässlich bunt-leuchtenden Showtreppe.

Leo (Hermann Große-Berg) ist das eigentlich egal. Er macht mit um Spaß zu haben, muss aber enttäuscht feststellen, dass seine Dschungel-Pantomime gestrichen worden ist. Und dass alle ständig streiten, ist auch blöd.

Nur Eckhard (Steffen Riekers) weiß, warum er helfen will. Weil der Hunger und die Krankheiten nicht einfach verschwinden, wenn wir den Fernseher ausmachen. Weil wir mehr Geld haben als wir brauchen. Weil es pervers ist 15.000 Euro für eine Handtasche zu bezahlen, wenn man für 25 Euro einem Kind in Afrika für einen Monat  Schule und Essen bezahlen kann. Weil wir durch die Ausbeutung der globale Wirtschaft Verantwortung übernehmen müssen. Weil auch eine einmalige Spende schon helfen kann und 95% aller Spenden tatsächlich ankommen. Und weil Eckhards Patenkind Paulo so eine freche Nase hat.

Nachdem die andern vier Figuren und auch das Publikum ein wenig von Eckhards Rede zusammengeputzt worden sind, darf man wirklich spenden. Das wäre ja auch Verschwendung, wenn die eigenen entstandenen Schuldgefühle nicht ausgenutzt werden würden. Die Schule in Guinea-Bissau, um die sich das Stück dreht, gibt es wirklich. Und sie braucht auch wirklich Unterstützung, die man nach dem zugleich komischen und dennoch kritischen Stück gerne bereit zu geben ist. Sofern man genügend Kleingeld eingesteckt hat.

Lena Naporra

 

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