Premiere: Volles Haus bei El Kurdis Angstmän am 05.05.2012 im Erlanger Theater in der Garage.
Tanja Weidners Inszenierung von Hartmut El Kurdis Stück trägt zurecht den Untertitel Ein panisches Kammerspiel, die Zuschauer sahen ausnahmslos das Wohnzimmer der Familie Mann, in welchem sich Robert Naumann und Christian Wincierz sowie die Gastschauspielerin Violetta Zupancic in ihrer Premiere am Theater Erlangen austobten, im Falle der letztgenannten im wahrsten Sinn des Wortes:
Die 9-jährige Jennifer Mann (Zupancic) kommt nach dem Sieg im Fußballspiel nach Hause, wo sie die Abwesenheit ihrer alleinerziehenden Mutter feststellt. Es folgt der mit sichtlicher Begeisterung umgesetzte Alptraum jeder Single-Mutter: Mit Schuhen auf die Couch, unerlaubt Pizza bestellt und Zappen durchs Fernsehprogramm, bis zum Horrorsender. Weil dies nicht lange gut gehen kann, packt Jennifer schnell die Angst, doch das im Dunklen angedeutete, den meisten Zuschauern wohl aus der eigenen Kindheit in vager Erinnerung befindliche Monster im Schrank entpuppt sich als Angstmän (Naumann), dem nach eigenen Worten größten Schisshasen des Universums. Nach einigem Gekreische zur gegenseitigen Begrüßung darf Naumann sich daran machen, mit großer Geste wahnwitzige Horrorvorstellungen auszumalen; sein Angstmän empfindet – sehr zur Unterhaltung der Zuschauer – eine ausgemachte Lust an der eigenen Angst und zelebriert diese geradezu. Schnell klärt sich auch, warum Angstmän in Jennifers Schrank gelandet ist, denn binnen Kurzem tritt trotz vernageltem Fenster sein Verfolger Pöbelmän (Wincierz) in bester Superschurkenmanier mit Blitz und Nebel auf. Zwar kann Angstmän nach einem kurzweiligen Versteckspiel auf der Bühne entkommen, aber Jennifer wird ein Opfer von Pöbelmäns Folter. Durch den wiederholt wunderbar schräg vorgetragenen Pöbelmänsong lernt auch das Publikum das Fürchten, ebenso wie durch Pöbelmäns Popelsammlung, die halbernstes Entsetzen auf den Rängen auslöste. Wincierz schafft es, eine bemerkenswerte Boshaftigkeit an den Tag zu legen, und so scheint er durch seine Gemeinheit fast unbesiegbar; aber El Kurdis Stück schlägt kurz vor Schluss noch eine pädagogische Volte: Angstmän stellt sich seiner Angst, und gemeinsam schaffen es Jennifer und er, Pöbelmän mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen. Es gelingt dem Ensemble sogar noch, Mitgefühl für den Besiegten aufkeimen zu lassen, als dieser ein unerwartetes Geständnis ablegt. So kann sich schlussendlich doch alles inklusive der verwüsteten Wohnung unter Begleitung von epischer Musik zum Guten wenden.
Dieses Ende ist fast zu schön, um wahr zu sein, und so reagiert Jennifers Mutter am Telefon mit Unglauben auf die Geschichte ihrer Tochter. Die Botschaft des Stücks – es ist nicht so wichtig, ob man dick oder dünn, ängstlich oder mutig ist – war zwar kindgerecht verpackt in der Welt der Superhelden, aber vieles an dieser Inszenierung kann man in jedem Alter genießen, wenngleich die eine oder andere Doppeldeutigkeit eher dem älteren Publikum vorbehalten blieb. Wem dabei ein paar kindische Furz- und Popelwitze nicht gänzlich zuwider sind, der wird sich nach einer guten Stunde dem Urteil eines der jungen Zuschauer anschließen: Boah, das war soooo cool!
Wer es am 08. und 09.05.2012 nicht in „Angstmän“ geschafft hat, der hat am 07.06.2012 um 17.00 Uhr noch einmal die Gelegenheit dazu.
Manfred Weiss
Pingback: Comics – kinderleicht! « re>flex