Who is a superhero? „Not made for flying“, ein Tanztheaterstück von Déjà Donnée und En-Knap in der Tafelhalle

Superman: I’m Superman. I can do anything.
Wonder Woman: Except, apparently, face your fear. (Superman-Kingdom Come, Issue 1, Mark Waid)

Der Mensch strebt nach Höhenflügen. Doch was machen wir wenn wir scheitern?

Wir alle setzen uns Ideale und Ziele, für die wir übermenschliche Kräfte bräuchten, um sie zu erreichen. Wir versuchen perfekt zu sein, keine Fehler zuzulassen, doch wie gehen wir damit um, wenn uns das nicht gelingt? Um dieses Thema dreht sich das Stück „not made for flying“. Die Angst vor dem Bloßstellen, dem Verlust unseres Idealbildes und der Identitätssuche fernab eines Images sind Fragestellungen, mit denen man auf der Bühne konfrontiert wird. Um unseren eigenen Vorstellungen zu entsprechen, suchen wir ständig Rollen, die unsere vermeintlich mangelhafte Persönlichkeit verstecken sollen. Wir setzten uns Masken auf, unter denen wir fehlbar sind, aber eben auch menschlich.

Die beiden Kompanien „Déjà Donnée“ und „En-Knap“ präsentieren zu diesem Thema ein großes Repertoire an Superhelden. Ein Held ist ein Idealbild, eine Rolle. Und er verkleidet sich. Doch im Alltag ist er oft ganz normal, manchmal sogar das Gegenteil eines Superhelden. Dies zeigen nun die Tänzer auf der Bühne. Sie wirken in ihren Kostümen als Zorros, Supermans, Wonder Womans und viele mehr eben doch alles andere als vollkommen, eher ein bisschen komisch.

Betrachten wir nun unsere Superhelden: Haben sie nicht immer eine Helden- und eine Menschenseite? Was wäre Superman ohne den allzu menschlichen Liebeskonflikt? Oft treten triviale Probleme in den Vordergrund und bedrohen die Super-Welt des Helden. Und die Lösung? Die ist meistens einen Ausgleich zu finden zwischen Held sein und Mensch sein!

Und ja, auch Superhelden scheitern und das macht sie gerade so bewundernswert. Durch ihre Niederlagen werden sie uns ähnlicher und sympathischer. Auch sie sind wie wir. Und erscheinen ihre Taten nicht umso größer, wenn sie aus einer Niederlage hervor gehen?

Damit können wir uns alle identifizieren. Wir setzen uns in unserem Alltag Masken auf, die unser Idealbild verkörpern. Doch manchmal kollidieren diese Masken mit unserer tatsächlichen Identität. Die Tänzer zeigen diesen Konflikt auf der Bühne. Selbst in persönlichsten Momenten, wie beispielsweise in der Sexualität versuchen wir unsere Rollen aufrecht zu erhalten. Manchmal verbergen wir uns so oft, das wir, wie die Choreographie zeigt, nicht mehr unterscheiden können, wer wir letztlich wirklich sind.

Oftmals artet das Rollenspiel dermaßen aus, dass wir sogar versuchen das Gegenteil unseres Befindens zu simulieren. Wir versuchen Schwächen mit absoluter Stärke auszugleichen. Und diese Differenz macht uns zu schaffen. Oder um es wieder mit Supermans Worten zu beschreiben: „Only the weak succumb to brutality“(Superman Issue 3, Kingdom Come).

Frei nach dieser Thematik gestaltet das Team der beiden Kompanien den Umgang mit Idealbildern. Im Stück wird ein Rollenspiel, wie ein Kinderspiel betrieben. Man teilt sich auf in Starke und Schwache, kämpft um die Oberherrschaft, versucht der Bessere, Schnellere zu sein. Doch irgendwann geht das Spielerische verloren. Alles wird zu einem richtigen Kampf, ohne Skrupel. Die Masken werden zur wirklichen Persönlichkeit. Die Tänzer zeigen dazu die Überschreitung einer spielerischen Jagd zur tatsächlichen Gewalt. Und wie passiert das alles? Ein Darsteller versucht seine negativen Erlebnisse zu verbergen, unangreifbar zu sein, obwohl er eigentlich tief getroffen ist. Sein Überspielen dieser Schwäche artet schließlich aus. Ein Beispiel dafür, was passiert, wenn wir uns zu sehr verstellen.

Die Tänzer entsprechen eigentlich auch Idealbildern. Doch auch sie mussten ihren Weg beschreiten, scheiterten oft und sind auch jetzt hinter ihren Rollen als perfekte Tänzer, verletzbar. Dies zeigen ihre eigenen Autobiographien zu ihrem persönlichen Tanzweg, die sie bei der Performance wiedergeben. Diese Geschichten zum ersten Tanzkontakt und ihrer Entwicklung zum Tänzer sind gepflastert von schönen, negativen, lustigen und vor allem auch unprofessionellen Ereignissen. Nicht jeder kannte gleich den Weg, den er einschlagen wollte: „She forced me to dance Lambada!“. Die Erzählungen stammen, mit kleinen Varianzen, alle von den Tänzern und das macht die ganze Performance so authentisch. Die Darsteller erscheinen einen durch das Aufzeigen ihrer Makel näher und man erkennt, dass ein Tänzer hinter seiner Bühnenfassade immer noch ein ganz gewöhnlicher Mensch ist. Und das macht die Atmosphäre des Stückes aus: das Gefühl einer Gemeinschaft von Personen die auch mal Scheitern.

Tanzende Superhelden: Wonderwoman, Robin und Catwoman

Ein wichtiges Element der Aufführung, ist die Komik. Choreograph Simone Sandroni stellt voraus: „If you don´t laugh, I kill you!” Und man muss lachen als Zuschauer: über die Kostüme, über die erzählten Geschichten und sogar über einige Tanzbewegungen. Aber das ist es, was die Choreographien von Déjà Donnée und En-Knap ausmachen: Tanz wird als Experimentierfeld verstanden. Perfektes klassisches Ballett in Verbindung mit lustigen Siegerposen, traditionelle Tänze und eben kaum mehr nachvollziehbare Trendtänze wie dem Lambada. Tanz kann vieles sein, aber am wichtigsten ist die Freude an der Bewegung und das vermittelt „not made for flying“. Die Kompanien lassen die Ernsthaftigkeit fahren, die oft hinter Tanz steckt und das bringt einem das Stück näher. Man erkennt einige Bewegungen aus seinem Alltag wieder, man sieht ein Experimentieren mit dem Körper, das man nachvollziehen kann und das nicht fern der eigenen Körperrealität ist, wie es oftmals in Tanzstücken der Fall ist. Trotzdem bleibt die Performance professionell. Atemberaubend ist beispielsweise die Arbeit mit Körperimpulsen bei einem Pas de Deux zweier Tänzer. Hierbei werden durch vermittelte Impulsbewegungen Reaktionen gefordert, ohne sich wirklich zu berühren und die ganz durch das Bewusstsein des Gegenübers und ausgefeilter Technik funktionieren. Die Energie und Lebendigkeit der Tänzer und ihr erkennbarer Spaß an den Choreographien ist einfach schön anzuschauen, so dass man eventuelle dramaturgische Schwierigkeiten um die Zusammenhänge der einzelnen Erzählstränge nicht mehr beachtet. Das Tanzkonzept ist einzigartig und persönlich, so wie auch die erzählten Geschichten der Tänzer. Man will es ihnen gleich tun und ebenfalls einen eigenen Ausdruck finden. Und als letztlich alle Masken fallen und man mit purer Nacktheit konfrontiert wird, erscheint dies einfach als richtig. Man verlässt den Saal mit dem Gefühl, ebenfalls etwas abwerfen zu müssen…

Veidt: „I did the right thing, didn’t I? It all worked out in the end.“
Manhattan: „In the end? Nothing ends, Adrian. Nothing ever ends.“ (Watchmen)

CHOREOGRAFIE/LEITUNG Simone Sandroni / PERFORMANCE Déjà Donnée (Martina La Ragione, Vladimir Ilich Rodrigues Chaparro, Tina Runko) und EnKnapGroup (Gyula Cserepes, Luke Dunne, Ana Stefanec, Tamas Tuza) / LICHTDESIGN Arnaud Poumarat / MUSIK Drago Invanusa, Omar Ismail / DRAMATURGIE ASSISTENZ Jess Smith

Johanna Stuber

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