Das, was Sie jetzt gleich lesen werden ist nicht das, was Sie ursprünglich lesen sollten, denn hier müssten eigentlich zwei Artikel stehen: Einer, der sorgfältigst über die Hintergründe des Nürnberg.Pop-Festivals berichtet und dabei Stimmungen und Atmosphäre des Abends wiedergibt sowie einer, der die Konzerte an sich beschreibt, laut und brachial und formidabel, wie sie waren. Nun verhält es sich allerdings so, dass mein geschätzter Kollege Joshua Groß des Morgens in der Bahn diesem Typen begegnet ist, der behauptete, er, Frank Mino, und sein Kumpel Jakob Hansen seien Doktoren des Journalismus, die den Abend etwas anders verbracht hätten — und es war so ein wirrer Abend, dass wir uns entschlossen haben, ihre Erlebnisse hier wiederzugegen, weil es vielleicht vielen so ging, die auf diesem Festival feierten, in dieser seltsamen Nürnberger Nacht…
Frank Mino
Wanted: Jakob’s Geldbeutel, tot oder lebendig
Es war ungefähr der Tag, an dem Berlusconi die 51. Vertrauensfrage stellte, es scheint ihm Spaß zu machen und später dann Nürnberg.Pop, ein Festival in der Innenstadt, Berlusconi ist noch mal durch gekommen und wir schlichen durch die Nacht, ich mein: Nisse, Jakob und ich, wir kamen auch durch, aber es war genau so knapp – allerdings hatten wir keine andere Möglichkeit, wir sind schließlich Profis.
Ausgewählte Rohstoffe, sorgfältige Destillation und Produktion sind die Garantie für eine anspruchsvolle Qualität, stets gekühlt servieren.
Wir starteten in der Zwinger Bar, Schweiß stinkt überall gleich, man gewöhnt sich dran und das Konzert ging gut los, Reflekta Reflekta, 80er Musik, Synthies, plus ein Mädchen, das ich flüchtig kenne. Sie stellte sich zwei Meter weiter und es ist ein seltsames Gefühl, wenn man ihr Interesse bemerkt und selbst keins hat, glücklicherweise bequemten sich die Jungs und spielten Stücke, bei denen wir, ohne das Gefühl, was liegen zu lassen, gehen konnten. Außerdem hatten wir keinen Schluck mehr und im Hbf votierte Jakob mit der Souveränität eines italienischen Abgeordneten für Korn, so kam’s eben. Als ich an der Kasse stand, hörte ich, wie hinter mir jemand „Bernd & The Montgomery’s“ sagte, ich zog das Line-Up aus der Jackentasche, aber die Band war nicht aufgeführt (logischerweise – als Reporter weiß man das). „Die spielen um 2Uhr auf dem Parkplatz hinterm K4…“ Es war vielleicht 23Uhr, also noch die Zeit, in der wir die Temperatur spürten, es ging gegen Frost und wir setzten uns in einen Hauseingang, um was zu trinken. Wir gaben einen Schluck für die zwei NBA Saisonwochen, die ausfallen, er explodierte auf dem Boden und uns blieb nur die verfluchte BBL, kein Vergleich. Direkt vor uns stand ein Lieferbus und Leute kamen mit Instrumenten, die sie in den Kofferraum stellten, waren es Bird Berlin oder Videoclub? Vielleicht auch The New Wine oder Yucca. „Was ist das für ’ne Band, fucking Beach Boys oder was?“ sagte Jakob und trank. Dann lief ein Kerl vorbei, der ein altes Cavaliers Jersey trug, dunkelblau und orangene Schrift wie Straßenlaternen, Lebron James und wir beschlossen, unsere Talente zu Panda People zu bringen, auf die Gruppe hielt ich was. Es war der beste Auftritt des Abends, diese 2 sind nicht zu fassen, im Marilyn und es war der Soundtrack für den einsetzenden Verlust unseres grammatikalischen Verständnisses. Ein Kumpel, mit ich dem vorher verabredet war, der aber nicht kam und sich nicht meldete, war auch dort und vielleicht hatte er Stress mit seiner Freundin, er sagte eigentlich nur einen Satz zu mir, so was wie: „Das ist ’ne andere Geschichte, ich erzähl’s dir später.“ Aber wir hatten kein später, weil wir langsam aufhörten, zu agieren und getrieben wurden und nicht wussten, wohin. Der Korn spielte Darth Vader in unseren Köpfen, wir wurden nicht destruktiv oder was, trotzdem wurde der Nacht jede Wirklichkeit entzogen, langsam wurde klar, dass die Realität in einer anderen Stadt war. Die Konzerte waren easy, nur hingen wir die meiste Zeit auf dem Parkplatz rum und warteten auf Bernd & The Montgomery’s, ich kratzte mich am Kopf.
Jakob ging zu Kreisky, Nisse und ich blieben kurz draußen, weil uns ein Kerl anschmarrte und meinte, dass „Geld keine Rolle spielt“. Er ließ zwei Bier springen, dafür mussten wir uns anhören, dass Baseball der Sport ist, nur…“Ich kann mir das nicht anschauen, ich schlaf immer bei den Spielen ein“. Seine Leidenschaft war immens, aber diese Kerle schaffen es immer, Kohle zu haben, sie können gar nichts dafür. Wir krallten uns die Flaschen und gingen hoch in den Festsaal, Who Made Who und genau das fragten wir uns, machten wir die Irrationalität, oder machte der Alkohol uns? Jakob war längst da, wo sie die Streifen noch nicht digital spielen, Filmriss-Modus, er kann sich nur an Zebras erinnern. Nisse und ich stiefelten durch die Menge, Bewusstsein schon im Schlafanzug, aber wach beim Blick auf die Armbanduhr, weil es kurz vor 2Uhr war, Bernd & The Montgomery’s, ohne Auftrag und wir waren vielleicht 39 Stufen entfernt, es wurde ein Hitchcock Finale. Wir gingen runter und auf den Parkplatz, wir waren da die meiste Zeit gesessen, aber jetzt war eine Bühne aufgebaut und mindestens 150Fans warteten courtside wie Spike Lee bei Knicks Heimspielen.
Die 2-Mann-Band kam durch Nebelmaschinen-Rauch on stage, der Gitarrist sah aus wie Jean Paul Belmondo, orangenes Nike Shirt „Air Revolution“ und Levis, der Sänger war der Kerl im Cavaliers Jersey, dunkelblonde Haare, 1,90, er stellte sich ans Mikrophon, sagte „meine Freundin ist 6Foot2“ und grinste. Dann drückte er auf seiner MPC rum, smoother Sound und der erste Song handelte von zwei Seiten und einer so genannten backcourt violation. Man kann davon halten, was man will, die Mädchen lieben das Stück.
So nice, you gotta see it twice…
Die 2-Mann-Band kam durch Nebelmaschinen-Rauch on stage, der Gitarrist sah aus wie Jean Paul Belmondo, orangenes Nike Shirt „Air Revolution“ und Levis, der Sänger war der Kerl im Cavaliers Jersey, dunkelblonde Haare, 1,90, er stellte sich ans Mikrophon und sagte „meine Freundin ist 6Foot2“ und grinste. Dann drückte er auf seiner MPC rum, smoother Sound und der erste Song handelte von zwei Seiten und einer so genannten backcourt violation. Man kann davon halten, was man will, die Mädchen lieben das Stück.
Nürnberg.Pop brauchte diesen Auftritt und ein einziges Mädchen war – schon Stunden vorher in der Zwinger Bar – so hübsch, dass man es versuchen konnte (so nice, you gotta see her twice). Sie spielten bis die Polizei kam, Lärmbelästigung, obwohl die Stadt alles geklärt hatte. Im ganzen Trubel gab Bernd einige Autogramme, ich verstehe nicht, warum Bernd & The Montgomery’s nicht angesagt waren, es war musikalisch und atmosphärisch eine irrsinnige Show, sie spielten mit Gesichtern, die für Fotografen sind und das Blaulicht war wie ein Hundeknurren aus der Realität. Gleichzeitig spürte ich, wie besoffen ich war. Belmondo zog mit ein paar Mädchen ab und es war absolut klar, dass wir einen Interviewtermin mit Bernd hatten. Die Cops lösten alles auf und dann wird es etwas konfus: der Jenga Turm, den wir aus Schnapsgläsern gebaut hatten, stürzte irgendwie…
Wir bestellten in irgendeinem Club mehrere Gin und liefen um 6Uhr morgens durch die Südstadt…“76 60 610 hochwertige Wohnungen zu verkaufen“ hab ich notiert und ähnliche Dinge…wir holten Fanta und Chips bei einer Tankstelle, Bernd nahm uns mit in seine Bude…sein letztes Mädchen schlief in seinem Bett, er versuchte es zu erklären, aber wir waren nicht mehr fähig…die Fanta kippte um, als wir auf dem Balkon standen, drinnen lief Hi Hat Club 3 auf dem Plattenspieler…wir versuchten, die Gasheizung anzubekommen: „Bedienungsknopf 1 auf * drehen, eindrücken und gleichzeitig die Zündtaste mehrmals drücken“…scheiß Kälte, Nisse schlief in einem Sessel (Genickstarre kommt per Luftpost), ich rollte einen Teppich aus und versuchte zu pennen, Hose an, Jacke an…ich merkte sofort, dass die Sonne gleich um die Ecke kommen würde und machte die Rollos runter, die Chipstüte lehnte außen an der Scheibe und ich wollte nicht raus, aber ich hab ein Gewissen für solche Sachen, ich ließ den Rollo nur so weit runter, dass er das Zellophan streichelte…eigentlich war alles egal, als es dunkel war, begann Sabine im Nebenraum Cornflakes zu essen…3Stunden Schlaf…Handy’s klingeln, abgefuckte Gespräche „Ja…ja…geenau…ja, dees maach iie schoo…geenau…“ etc, und dann klingelten die Mädchen uns an…ich merkte dass der Teppich versifft war, Haare von einem Köter, das richtige Bett für einen Hundesohn…ich stand auf und ging in die Küche, sie saß auf der Ablage am Fenster, eingewickelt in eine Decke, Südseite, also voll im Licht, daneben eine Schüssel und eigentlich ist es schön, morgens in eine Küche zu kommen und so was zu sehen, nur schaute sie mich an und sagte: „Du siehst aus wie ein Heroin Junkie…“
Überarbeitet von Joshua Groß
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