Die Entmündigung des Bürgers durch die Politik

Die Diskussion Copyright: Johanna Meyr

Die Diskussion Copyright: Johanna Meyr

Politische Entscheidungen werden über die Köpfe der Bürger hinweg getroffen. Die Entmündigung des Souveräns in einer demokratischen Gesellschaft löst zu Recht Proteste aus, in denen der Protestierende als „Wutbürger“ deklariert wird. Das Verhältnis zwischen Politik, das heißt zwischen den Akteuren und dem Volk, das jenen scheinbar willkürlich ausgeliefert ist, war Thema des traditionellen Sonntagsmatinée des 31. Erlanger Poetenfestes.

Im Mittelpunkt stand die Frage, warum denn die Bürger überhaupt „motzen“, so lakonisch Moderator Schoeller. Grund sei eine allgemeine Unzufriedenheit mit dem politischen Angebot und das Gefühl der Handlungsohnmacht. Noch gehe es uns in Deutschland aber zu gut, als dass die Proteste ein Ausmaß wie in Spanien oder Frankreich annehmen könnten.

Doch eine Apatie besteht ohne Zweifel gegenüber den mächtigen Finanzmärkten, die auch auf einer „Spielwiese der Bürgerbeteiligung“ (Diekmann) wie den Demonstrationen gegen Stuttgart 21 nicht überspielt werden kann.

Die Politikverdrossenheit sei auch eine Folge der Globalisierung, die nicht neu sei aber beschleunigt stattfinde und das Finanzkapital entfessele. Effektive Regulierungsmaßnahmen kämen zu spät. Und die Europafeindlichkeit Englands habe, so Diekmann, eine funktionierende Wirtschaftsregierung verhindert.

Copyright: Johanna Meyr

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Zu der Unübersichtlichkeit der Finanzmechanismen, den Auf und Abs an der Börse, komme die Macht der Banken, die ihre eigenen Gesetze diktieren. Die Parlamentarier können diesem Lobbyismus mangels Sachwissen nichts entgegenhalten. Dahn forderte deshalb die „ökonomische Alphabetisierung der Massen“ (nach Bourdieu). Ein grundlegendes Sachverständnis, so Dahne, müssen Parlamentarier wie auch Nicht-Politiker haben, um die verwirrenden Wirtschaftsprozesse durchblicken zu können. Damit lieferte sie wohl den einzigen wertvollen Beitrag für die gesamte Diskussion, die sich stetig vom Thema entfernte und schließlich in Ideologie-Kritik abdriftete. Nachdem man zu allen Weltproblemen seinen Senf gegeben hatte, wurde das teilweise emotional aufgewühlte und aufgebrachte Publikum zum Mittagessen entlassen.

Zwischen den zwei Handelsoptionen – Rebellion oder Resignation – stehen die Diskutanten eindeutig für die aktive Beteiligung des Bürgers. Wie diese nun konkret auszusehen hat um erfolgreich zu sein, dafür lieferten sie kein Geheimrezept. So blieb die abrupt endende Podiumsdiskussion, wie vergleichbare Polit-Talks im TV ohne Erkenntnis für den Bürger – dem Souverän einer Demokratie.

Julia Heiserholt

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