Sara, das faule Stück, liegt wieder auf dem Sofa, nachdem sie nur die paar Zitate getippt hat, und die auch noch in fetten Lettern. Ist nicht mehr zu ändern, aber unser Werk ist vollbracht. Obacht, da kommt er. Ich bleibe auf dem Schreibtisch liegen und schnurre, das hat er gern. Grrr…
Schaut euch eine Katze an, eine ganz gewöhnliche Katze, ob sie spielt, ob sie schläft oder ob sie jagt, ihr durchschaut sie nicht. Blickt einer Katze in die Augen, was erkennt ihr darin? Baudelaire sagte, die Chinesen lesen darin die Uhrzeit ab, aber der erste moderne Dichter war Zeit seines Lebens nie in China. Warum sollte er, Baudelaire hat in Paris gelebt, in der Hauptstadt seines Jahrhunderts, des neunzehnten. Sara und ich, wir kommen aus Südtirol und zu unserem Glück waren wir zur rechten Zeit am rechten Ort. Was wisst ihr vom Leben einer Katze? Doch nur was ihr seht und sehen könnt und sehen wollt. Wir Katzen können einiges was ihr uns nicht anseht. Lesen und schreiben lernen wir in der Umgebung, die unsere Menschen uns gewähren. Einige kommen groß heraus wie der Kater Murr, der hatte einen gnädigen Herrn. Was erkennt ihr wenn ihr einem Menschen in die Augen schaut? Berufen sind viele, aber nur wenige auserwählt, hat mal einer von euch gesagt. Den habt ihr ans Kreuz genagelt.
Groß herausgekommen ist euer Papst auch, und wir mit ihm, sämtliche Generationen seiner Katzen vor uns, und zwar raus aus dem Keller. Ein Katzenfreund ist Benedikt XVI schon seitdem er ein Römer ist, darum nennen wir ihn weiterhin liebevoll und einfach Ratzinger. Bevor er auf seinen Reisen vielen, vielen Menschen begegnet oder einfach nur Urlaub macht, sei es in Südaustralien, in Brasilien oder eben in Südtirol, hat der vatikanische Katzenmarschall schon seine Arbeit getan und zwei von uns sind vor Ort und warten in seiner Unterkunft auf ihn, quasi als päpstliches Chill-out-Programm. Hier im Aostatal sorgen das Kätzchen Sara und ich, der Kater Tobias für die päpstliche Wellness – neben, auf und unter dem Klavier, das der vatikanische Reisemarschall hier im Ferienhaus installiert hat. Als wir davon hörten, dass so hoher Besuch kommt und pflegeleichte, stubenreine und gebildete Gesellschaft wünscht, haben wir uns ohne mit den Schnurrhaaren zu zucken gemeldet, Sara und ich, und sind nach einer Art Katzen-Casting engagiert worden. Davon später.
Als einen Tag vor ihm selbst die Kiste mit seinen Büchern angekommen ist – was haben wir uns da gefreut! Die Chance hatten noch keine zwei Katzen vor uns, ungestört in seinen Büchern zu schmökern. Sie sollen neu gedruckt und deshalb durchgesehen werden, Kapitel für Kapitel, Seite für Seite. Und dabei helfen wir mit, dafür wurden wir ausgebildet. Ohne dass er es wüsste, haben wir schon einige Vorarbeit geleistet, frei Schnauze – warum sollten wir es nicht tun, wenn die Gelegenheit da ist?
Als er dann selber kam mit seinem Sekretär, war der Ferienhaushalt schon komplett. Auf dem Balkon haben sie den Grill aufgestellt, im Nu war alles fertig für drei Tage lecker fressen, Lektüre und Erholung.
Dann ist der Ratzinger gleich am ersten Abend gestrauchelt und hat sich die Hand verrenkt, und warum? Sara hat sich den kuscheligen Badezimmerteppich unter die Nägel gerissen und zu ihrer Schmusedecke auserkoren. Weil sie eine Katze ist, hat sie den Teppich nicht mehr herausgerückt – nichtmal mit mir wollte sie ihn teilen. Aber ehrlich, im Urlaub auszurutschen, wem könnte so etwas nicht passieren? Ein vernachlässigbarer Lapsus, denn sogar nach dem Unfall, noch ohne den Gips, also vor der ärztlichen Behandlung hat der Ratzinger, euer Papst am nächsten Morgen mit dem verletzten Arm in der improvisierten Hauskapelle unfallfrei die Heilige Messe zelebriert. Kurz danach hatte er trotzdem die Presse am Hals, was bedeutet sie lauerten ihm mit Kameras und Feldstechern am Gartenzaun auf. Zum täglichen Morgenspaziergang inklusive Besuch beim örtlichen Hausarzt sind sie gleich, er und der Sekretär unerkannt hinten durch den Wald gegangen, ja beinahe geflohen.
Thomas Werner
Die in zwölf Teilen folgende Geschichte entstand 2009, als dem Papst und der Kirche einige Missverständnisse um die Ohren geflogen sind. Ich dachte mir, wo bleibt das Positive? Benedikt XVI ist auch ein Mensch, und wenn er Urlaub macht, wünscht er sich in seinem Quartier, so stand es in der Zeitung, ein, zwei Kätzchen und ein Klavier. In Südtirol hat er sich dann die Hand verstaucht… so weit die Tatsachen. 2011 sind dem Pontifex zwischen Madrid und Berlin – Erfurt – Freiburg sicher auch ein paar freie Tage vergönnt. Überlassen wir das Wort dem Kater Tobias. Viel Vergnügen!