Die Bürde des ewigen Fremdseins

„In der Fremde – Aus dem Tagebuch eines Migranten“. Ein studentisches Theaterstück von Marie Karama, gefördert und begleitet durch André Studt vom ITM. Wie von REFLEX angekündigt fand die Premiere am Donnerstag im Ex-Theater statt.

Erinnerungen an ein früheres Leben. Foto: Samer Al Hassanieh

Erinnerungen an ein früheres Leben. Foto: Samer Al Hassanieh

Wie fühlt sich ein Migrant in Deutschland?

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Integrationsdebatte, angeheizt von den provokanten Äußerungen Thilo Sarrazins, setzte sich die aus Ägypten stammende Rita Aouad alias Maria Karama, Studentin der Theater- und Medienwissenschaft in Erlangen mit dieser hochpolitischen und gesellschaftlichen Thematik auseinander. Die persönlichen Erfahrungen von Betroffenen, ihre Gefühle und Ängste standen in diesem narrativen Stück im Mittelpunkt. Den Stoff lieferten zahlreiche Gespräche mit Zugewanderten unterschiedlicher Herkunft.

In einer Momentaufnahme lernen wir den libanesischen Migranten Samir kennen, der in seinen Umzugskartons sein Tagebuch findet und Erinnerungen an eine verdrängte Zeit weckt. Es beginnt ein epischer Monolog, vorgetragen von zwei Darstellern. Traurige Reflexionen über einen fast gescheiterten Integrationsversuch werden mit arabischer Musik und Poesie untermalt. Es ist die Geschichte eines jungen Libanesen, der voller Hoffnung und besten Willens nach Deutschland zieht und dort Fuß zu fassen sucht. Geplagt von Heimweh und Sehnsucht nach der Familie sieht er sich mit Ablehnung und Vorurteilen konfrontiert. Die gesellschaftlich oktroyierte Identität als „Ausländer“ führen zu einer inneren Zerrissenheit, die ein „Staatsbürger“, der sich wie selbstverständlich in „seinem“ Land verwurzelt sieht, kaum nachvollziehen kann.

Will ein Mensch unter solchen Umständen leben? Eines hindert ihn daran seine Koffer zu packen und in die Heimat zurückzukehren, wo er willkommen ist, wo er „hingehört“. Es ist nicht die deutsche Mentalität und ihre Spezialitäten, nicht ihre Ordnung und Organisiertheit, die hypergeregelte Bürokratie, das rigide Zeitverständnis, die Hausordnungen…. Es ist die Liebe. Und ehe er sich’s versieht wird er zum Bleibenden, ein Bleibender in einem Land, in dem er ein Fremder bleibt.

Die zwei Darsteller Zuheir Elia und Nader El Aissami im Zwiegespräch

Die zwei Darsteller Zuheir Elia und Nader El Aissami im Zwiegespräch. Foto: Samer Al Hassanieh

Der Monolog wandelt sich zu einem Zwiegespräch zwischen dem früheren, jungen Ich und dem älteren, resignierten Ich, welches sich mit seiner Situation abgefunden hat. Ein Ich, das seinem Heimatland den Rücken gekehrt und sich ihm entfremdet hat. Ein Ich, das ein neues Zuhause gefunden hat, wo er mit seiner Frau und seinen Kindern in Frieden leben möchte. Eine Heimat, die nicht seine Heimat sein will. Wie wohl fühlt sich also ein Migrant in Deutschland? Die Antwort: „So wohl wie sich ein „ewiger Fremder“ fühlen kann.“

Im Gespräch stellte die selbst aus Ägypten stammende Autorin heraus, dass sie mit dem Stück nicht polarisieren, sondern lediglich – ohne moralischen Zeigefinger –  eine Leidensgeschichte vermitteln wollte. Diese sei keine Anklage an die Unfreundlichkeit der Deutschen gegenüber Einwanderern. Vielmehr habe sie eine allgemeine Unfreundlichkeit untereinander festgestellt. Das sei umso trauriger, weil ihr Herz für Deutschland schlage, eine Haltung, die sie mit vielen Migranten teile. Der sehnsüchtige Wunsch dazu zu gehören kollidiert dabei mit dem eigenen Anderssein.

Die kulturelle Identität aufzugeben, nur um die Integrationsanforderungen zu erfüllen, sei aber ein Ding der Unmöglichkeit, weshalb jeder einzelne seinen kleinen Mikrokosmos erschaffen muss, um glücklich leben zu können. Denn jeder Mensch sollte dort zu Hause sein dürfen, wo er Familie und Freunde hat. Eine multikulturelle Öffnung bedeute in Bezug darauf nicht Toleranz, sondern lediglich Akzeptanz, so die Meinung der Autorin.

Das Theaterstück zeigte auf sensible Weise die widersprüchlichen Gefühle eines Menschen, der zwischen zwei Welten steht und berührte einheimische wie ausländische Zuschauer gleichermaßen.

Julia Heiserholt

 

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