Passive Party-People und Puppenpornos

Mit freundlicher Genehmigung des Figurentheaterfestivals

Ein Riesenposter von einem Nespresso-Tässchen schwenkenden George Clooney mag zwar Frauenherzen auf der ganzen Welt höher schlagen lassen, die Charaktere in dem Stück Wenn es Nacht wird. Männer am Rande des Nervenzusammenbruchs des Puppentheaters Halle scheint es eher in den Wahnsinn zu treiben. Angespannt und hektisch sind die dargestellten Personen. Sie müssen in einer lieblosen und kalten Welt leben, in der zwischenmenschliche Beziehungen nur noch im Internet und im Fernsehen ohne Probleme zu funktionieren scheinen. George Clooneys überdimensionales Konterfei im Bildhintergrund ist hierbei das omnipräsente Idol, dem es nachzueifern gilt: Genauso sexy, genauso erfolgreich soll man(n) sein. Und genauso pflegeleicht wie eine Fernsehfigur. So leidet jeder der Charaktere auf seine Weise an einer zu gut vernetzten, industriellen Welt. Die darin herrschende Konformität macht die Menschen orientierungslos, durch die Arbeitsbedingungen wird es schier unmöglich Beziehungen aufzubauen oder aufrechtzuerhalten. Eine direkte Kritik an den modernen Industrienationen und Wirtschaftsunternehmen. Die unmittelbaren Opfer dieser Welt sind die Kinder und Alten, die durch ihre Untätigkeit an den Rand der Gesellschaft abdriften. So wartet in der Rahmenhandlung eine alte Dame an ihrem Geburtstag auf die Anrufe ihrer Söhne, ein Junge am Flughafen auf seinen Vater. Doch nichts passiert.

Mit freundlicher Genehmigung des internationalen FigurentheaterfestivalsDurch das verspielte Lärmen neurotischer Beschäftigter, wie Geschäftsmann, Internetfreier, Psychologe und Schauspieler im restlichen Stück vergisst man nur zu gern den Weltschmerz der beiden, das Gesellschaftskritische bleibt zwar präsent, wird aber mit viel Witz verpackt und mit Klischees überspielt und nur gelegentlich wird etwas viel über die böse, kalte Welt gejammert. Deren Oberflächlichkeit wird durch Ganzgesichtsmasken noch hervorgehoben, die alle Darsteller der Binnenhandlung tragen. Mit grotesken, interessant von Suse Wächter gestalteten Fratzen im Gesicht sind die Charaktere vor allem eins: ziemlich komisch. Die Gefühle müssen zwangsläufig reduziert werden. Küssen funktioniert mit Maske nicht. Das müssen zwei Homosexuelle nach einem Seifenopern ähnlichen Streit feststellen. Der Patient beim Psychiater hat vorgesorgt und für jede Gefühlsregung eine andersfarbige Gesichtsverkleidung mitgebracht.

Mit rasanten Disputen bleibt das Stück kurzweilig. Nur gegen Ende wird es etwas ermüdend. Zu viel Gewalt und zu viel Sex. Da kommt die Gesellschaftskritik wieder zu sehr durch. Davon lenken nur die besonders gut gelungen simultan simulierten Fernsehbeiträge ab, bei denen das Puppentheater zum Einsatz kommt. Mit großmäuligen Handpuppen von Franziska Müller-Hartmann und nudistischen Marionetten von Lilian Matzke werden Soaps, Videokonferenzen und Pornofilme in einem Glaskasten im Hintergrund produziert und gleichzeitig auf den Fernsehbildschirm im Vordergrund übertragen, wo die Projektion begierig von den dort agierenden Charakteren verfolgt wird. Der verschiedenartige Einsatz der Medien und ihr Zusammenspiel auf der Bühne macht Lust zum zuschauen. Nur gegen Ende des Stückes wird es etwas ermüdend. Zu viel Gewalt und zu viel Sex. Da kommt die Gesellschaftskritik wieder zu sehr durch. Trotzdem ein unterhaltsames und einfallsreiches Stück, ein Besuch war auf alle Fälle lohnenswert.

Lena Naporra

Mit freundlicher Genehmigung des internationalen Figurentheaterfestivals

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