Tanz im digitalen System

Klaus Obermaier „the concept of… (here and now)“: Eine Koproduktion mit Hochschulen in Rom und Venedig unter der Mitarbeit des Instituts für Theater- und Medienwissenschaft.

Auf der modernen Theaterbühne scheinen den künstlerischen Inszenierungsmitteln kaum noch Grenzen gesetzt. In Zeiten hochkomplexer Computertechnik haben Performer das Digitale für ihre Kunst entdeckt.

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Klaus Obermaier: the concept of… (here and now). Copyright: Klaus Obermaier

Der aus Österreich stammende Klaus Obermaier steht für den Einsatz von Elektronik in der Performance-Kunst, wie in seiner Produktion „the concept of… (here and now)“, die am vergangenen Wochenende im Rahmen des 17. Internationalen Figurentheater-Festivals im Experimentiertheater zu sehen war. Diese beeindruckende Performance war eine überaus virtuose Verbindung von Tanz, Videoprojektion und Computersoftware. In mehreren aufeinanderfolgenden Tanzeinheiten vollzogen die Tänzerinnen intensive Bewegungen – anmutig und aggressiv zugleich –, die sich auf einer Leinwand mittels elektronisch erzeugter Effekte synchron wiederspiegelten. Die eigendynamische Wirkung der Tanzdarbietung potenzierte sich durch die digitale Verzerrung einzelner Realitätsausschnitte. Musik, Licht, Tanz verschmolzen zu einer stimmungsvollen Darstellung, die sich konventionellen Wahrnehmungsweisen entgegenstellte.

Im anschließenden Inszenierungsgespräch, das von Matthias Warstat vom Institut für Theater- und Medienwissenschaft moderiert wurde, hatten die Zuschauer die Möglichkeit, mehr über den Künstler, sein Konzept und die Darsteller zu erfahren. Der zentrale Punkt in Obermaiers Konzept, so erfuhr man, ist die Interaktion zwischen dem Menschen und der Technologie, dem „digitalen System“. Wir werden nicht nur unweigerlich mit diesem konfrontiert, wir führen auch einen stetigen Dialog mit ihm. Die digitale Technologie und der Mensch werden in Obermaiers Inszenierung zu „Partnern“. Die Reaktionen des digitalen Systems auf die Bewegungen der Tanzenden löse auch eine veränderte Wahrnehmung des eigenen Körpers aus, so eine Tänzerin auf die Frage nach der persönlichen Empfindung beim Tanzprozess.

Das Publikum zeigte sich sehr angetan von der Aufführung. Begeistert äußerte sich sogar eine ältere Zuschauerin, die sich selbst als „konservativ“ in Bezug auf die Neuen Medien bezeichnete und dankte für die sinnliche Erfahrung. Tatsächlich: Die für gewöhnlich als leblos, starr und roboterhaft empfundene Computertechnologie wurde in Klaus Obermaiers Stück zur Vermittlerin sinnlicher Erfahrung. Die Kluft zwischen Technik und Natur wurde an diesem Abend negiert.

Julia Heiserholt

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