In eine fremde Welt gelockt: Système Castafiore beim Figurentheaterfestival

Am Freitag, den 13. war es endlich soweit: Ein Glückstag für alle Figurentheaterfans – das 17. internationale Figurentheaterfestival hatte mit ungefähr 50 Theatergruppen begonnen, die bis zu 100 Vorstellungen nach Erlangen, Nürnberg, Fürth und Schwabach brachten.

Eins der Auftaktstücke war „Stand Alone Zone“ von der französischen Tanztheatergruppe Système Castafiore in der Tafelhalle in Nürnberg. Unter der Leitung des Regisseurs und Komponisten Karl Biscuitund der Choreografin Marcia Barcello

gründeten sie sich bereits 1990 und haben bereits einige Projekte zusammen verwirklicht. Mit „Stand Alone Zone“ verzauberten sie die zahlreich erschienenen Zuschauer auf ganz besondere Weise: Auf einer riesigen Leinwand sieht man atemberaubende Welten entstehen: fluffige Wolkenberge oder finstere Flure und Gänge. Furchteinflößende Monster tauchen auf, die nur kurze Zeit später tatsächlich auf der Bühne ihr Unwesen treiben.

Système Castafiore: Stand Alone Zone; Copyright: Système Castafiore – Foto: Karl Biscuit

Système Castafiore: Stand Alone Zone; Copyright: Système Castafiore – Foto: Karl Biscuit

Märchenhaft verklärt spielt die Handlung im Jahre 2813 an dem mythisch klingenden Ort Tarkovgrad. Futuristisch vollendet mit fliegenden Gefährten, in der Luft schwebenden Häusern und entwurzelten Bäumen. Der versierte Sciencefiction-Fan erkennt natürlich sofort die Anlehnung an den Film „Stalker“ von Andrei Tarkowski aus den späten siebziger Jahren. Neun Räume müssen durchquert werden um in einer weit entfernten Zone das Heilmittel für das erkrankte Kind zu beschaffen. Bisher ist von dort aber noch niemand lebend zurückgekehrt.

Die Kostüme sind märchenhaft schön: bunte Farben, Buckel, Schnabel und lange Fingernägel. Die Figuren bewegen sich wie ein Hampelmann, nutzen das Prinzip der Schattenspiele oder tanzen mit weit ausholenden Bewegungen wie im Barocktheater.

Die Musik wirkt wie aus einem Abenteuerfilm, großartig: Sie schafft es, den Zuschauer in Atem zu halten und mitzureißen. Als würde sich hinter der Leinwand ein echtes Orchester verbergen.

Wer ist gut und wer ist böse? Die Frage stellt sich nicht. Fasziniert beobachtet man die fließenden Bewegungen, die marschierenden Soldaten, den tanzenden Vogel, den springenden Spielmann. Man möchte noch einmal Kind sein, losgelöst von allen Sorgen und nur im Moment lebend in dieser fantastischen Welt existieren. Naiv-neugierig, frei von aller einzwängenden Lebenserfahrung.

Système Castafiore schafft genau das. Sie verändern Größen und Entfernungen, wie man sie einst aus der Sicht eines Kindes empfunden hat.
Ist der Abend vorbei, wünscht man sich, man könnte sich ein Stück von dieser Unbedarftheit mit nach Hause nehmen.

Johanna Meyr

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