Grandios ging es wieder zu am PoetrySlam in Erlangen, dem letzten in diesem Jahr 2010.
Leben und Tod, Selbstreflexion und Kunst, Wein und Jugend, Terrorismus und Pubertät, diesmal wurden sämtliche Themen abgegrast und niedergemacht.
Acht Kandidaten stellten sich ins gleißende Bühnenlicht, um sich zu beweisen. Aber auch die Musik durfte natürlich nicht fehlen und wurde reizend präsentiert von Paula Linke, an Gitarre, Kazoo und Stimmbändern. In ihrer grünen Ringelstrumpfhose sang sie selbst geschriebene Lieder übers Fürchten, Träumen und Telefonieren mit hohen Instanzen. Obwohl sie ihre Nervosität manchmal zittern machte, bezauberte sie das Publikum mit ihrer glockenhellen Stimme.
Und das hatte an diesem Abend keinen Grund zu meckern.
Kandidaten kamen von Karlsruhe bis Berlin, und auch Franken war gebührend vertreten. Zum Beispiel mit Tobias Föhrenbach aus Fürth, der gleich das Publikum mit einbezog und von der Liebesgeschichte zwischen Lyona und Salami erzählte. Die fleischliche Liebe war mit der Zeit vergangen und es kam zu einer großen Schlacht(platte). Neben dem Essen kam bei ihm auch das Trinken nicht zu kurz, er schilderte einen Rap-Contest dreier Rebsorten („make some noise!“).
Dem jungen Germanisten Indiana Jonas ging es nicht hauptsächlich um fleischliche Gelüste, er sprach über die Kunst und den kleinen Teufel Grammatik, der in seinem Ohr sitzt und ihn ständig verbessert. Aufgedreht springt er auf der Bühne auf und ab, schreit und flüstert, er zieht alle Register und zieht damit ins Finale ein.
Mit der traditionellen Form eines Slamtextes bricht Adrian Baumeister. Er hat ein Drehbuch geschrieben über Mozartkugel-Zombies. Unbedarft von zwei Studenten hergestellt, versuchten sie die Weltherrschaft an sich zu reißen. Die Rettung war so einfach wie lecker: Naschen!
Fressen und gefressen werden, diese Gedanken machte sich auch Merlin, eine in die Jahre gekommene Version von Johnny Depp, in Lederhose, Jackett und Hut, ganz in elegantem Schwarz. Mit „Manchmal“ reflektierte er über sein eigenes Leben, Zeit und Vergänglichkeit, im ansprechenden wie eintönigen Reimschema.
Als eine wahre Explosion hingegen trat Iris Schwarz auf, die angeblich 17jährige Berlinerin zieht selbstironisch über sich („Ich bin eine Wurst“) und andere Jugendliche her. Über die Qual der Anpassung, überfürsorgliche Eltern, Freundinnen und Knutschfreunde, Medieneinfluss und Counterstrike. Sie durfte auch einen zweiten Text vortragen, der eine Anleitung zum Gewinnen eines PoetrySlams ist. Die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Slammern brachte das Publikum zum Johlen. Sie war wie eine Lorelay, die ihre Zuschauer nicht sinnlich betört, sondern mit ihrer scharfen Zunge niederheult und –brüllt. Da braucht sie kaum den blond-bezopften Niedlichkeitsbonus, der Schmetterlingslyrik säuselt.
Slammerinnen sind zahlreich vertreten diesmal, auch Jazzkeks ist eine von ihnen. Im roten Schal zischt und nörgelt sie darüber, wie furchtbar es doch sei, diesen bunten Regenbogen ständig vor Augen zu haben. Sie sieht die Welt im rosa Glitzerbarbie-Hochzeitskleid, und herumflatternde Schmetterlingen. Warum sie sich so idiotisch und krank fühlt? Sie ist verliebt! Das findet sie ziemlich daneben und macht dann auch Schluss.
Sakura Dojo sieht das ähnlich. In schwarzem Top malt sie ein Bild von ihrem farbigen Leben, von dem sie gerne mal Urlaub hätte. Leben – Nebel, wann wird es ihr klar? Sie hofft, „das wird schon“ und will sich nicht für zu lange Zeit in ihrem U-Boot verstecken.
Daniel Nuber, der Slammer mit Migrationshintergrund, wie er betont, ist der letzte Kandidat der zweiten Runde und spaltet das Publikum. Er spricht von der Angst, die scheinbar gerade umgeht, wegen Selbstmordanschlägen, Osama Bin Laden und Thilo Sarrazin, aber auch das Älter- und Dickwerden spricht er an. Er bringt schon harten Tobak, mit Judenwitzen und dem NPD-Parteiprogramm und schafft es trotzdem, dem Publikum derbe Lacher zu entlocken. Obwohl nicht alle darüber lachen können.
Den Contest gewinnt letztendlich Indiana Jonas, mit seinem Text „Lehrer sein“ „mal mehr sein, mal leer sein“, mit einer schaurigen Zukunftsvision der gewaltbereiten, schwangeren, Jugend von morgen, die auch nicht davor zurückschrecken würde, die Erziehungs-Frau aus dem Fernsehen mit der „Stillen Treppe“ zu erschlagen.
Ein weiterer Slammer, der nicht am Wettbewerb teilnahm, aber trotzdem seine Texte vortrug, war der Amerikaner Jon Sands. Er war der special Weihnachtsgast, extra aus New York City eingeflogen, um dem Publikum die amerikanische Art des PoetrySlams zu zeigen. Er sprach sehr langsam und artikuliert und verwendete mehr Gesten, als er das zu Hause tun würde. Seine Themen sind zum Beispiel die alte Dame in der U-Bahn, Turbulenzen im Flugzeug, die Uhr seines Großvaters, und die Festrede bei der Hochzeit seines Bruders hat er auch im Gepäck.
Er genießt es sichtlich, auf der Bühne zu stehen, doch das verwundert nicht, schließlich macht er das beruflich, und zwar schon seit drei Jahren. Nebenbei gibt er auch workshops und versucht in einer Art Gastprofessur vom Sprechen und Performen zu unterrichten. Er weiß, wenn er Angst hat, ist das den Zuschauern unangenehm. Deswegen zeigt er, was für großen Spaß es ihm bereitet, seine Gegenüber zu unterhalten. Seine Texte sind anders, von den Themen oft sehr ernst, doch die Performance macht die Texte leichter und die englische Sprache glättet so manche Lebensweisheit. Gerade tourt er durch Deutschland, Frankfurt, Mainz, Osnabrück, Erlangen und weitere deutsche Städte.
Die Stimmung war richtig gut, die Texte behandelten nicht nur die ewige Liebe und die Kandidaten machten einiges her. Ein genialer Abend, wieder super durchs Programm geführt von Jan Siegert, mit Unterstützung des ganzen Teams.
Da freuen wir uns doch auf nächstes Jahr, am 23. Januar 2011 findet die große Jubiläumsshow des 9. Geburtstags wegen statt. Namhafte Gäste aus den Niederlanden, Würzburg oder Österreich werden ihre Aufwartung machen. Los geht’s wie immer pünktlich um 20:30, der Eintritt kostet dieses Mal 10€.
Weitere Infos auf www.e-poetry.de
Pingback: Rückblick auf den Poetry Slam im Dezember @ POETRY SLAM ERLANGEN
Hallo liebes Reflexmagazin. Vielen Dank mal wieder für das tolle Review.
Kleine Verbesserung hätte ich da noch: Der Jubiläumsslam geht diesmal schon um 20 Uhr los, nicht wie üblich 20:30 Uhr.
Bilder findet ihr unter http://www.e-poetry.de/bilder/slam-dezember-2010/
Vielen lieben Dank nochmal
Bremmo