Wieder weht eine Brise von Aktionismus durch die Heiligen Hallen der FAU. Genauer gesagt im Audimax, schließlich fand am 23.11.2010 eine Vollversammlung aller Studierenden statt, organisiert von der Studierendenvertretung (Stuve).
Doch die Stimmung hatte sich im Vergleich zu Ende 2009 gewandelt. Als das Audimax in Erlangen, wie viele andere bayrische Universitäten, letztes Jahr besetzt worden war, wurde noch geschrien, Plakate gemalt, Kerzen aufgestellt, Radau gemacht. Diesmal fand einzivilisiertes Zusammentreffen statt. Und das ganz legal, gestattet und offiziell. Es soll sogar Dozenten gegeben haben, die ihrem Kurs dafür freigegeben haben.
Als gäbe es Getränke und Brezen umsonst, drängten sich die Studenten an den Wänden entlang und die Stufen hinunter, fast alle Sitzplätze waren besetzt. Das Interesse schien enorm. Findigen Köpfen gelang es, via Skype die Veranstaltung auch nach Nürnberg zu übertragen.
Die Organisation wirkte durchdacht, mit durchstrukturierten Tagesordnungspunkten, Einführungsrede und einheitlich gestalteter PowerPoint. Auf jedem Klapptisch waren rote und grüne Abstimmungszettel verteilt worden. Damit sollte die Zeit zum Klatschen und Buhrufen ökonomisch verwaltet werden. Es war nur noch ein sanftes Flattern zu vernehmen, anstatt minutenlanger Lärmkulisse. Ein gepflegter Protest also. Gesittete, zeitlich begrenzte Diskussion mit fotografiertem roten, grünen oder rot-grünem Zettelmeer für eindeutige Ergebnisse.
Auch formal war die Sitzung gut vorbereitet. Jeweils in drei Teilen wurde jeder Themenblock abgehandelt: Studiengebühren, Bewertung des Bologna-Prozesses, Semesterticket und „Karte für alles“ wurden gegliedert in allgemeine Informationen über das jeweilige Thema, um alle auf den gleichen Wissenstand bringen. Dabei ging es zum Beispiel um die Einführung des Bachelor-Master-Systems und die aktuellen Standards. Danach durfte dann munter drauflos diskutiert werden, immer mit Blick auf die Uhr und einer resoluten Redeleitung.
Statistiken, Grafiken und Pro- und Contra-Listen halfen, die Erinnerung wieder aufzufrischen. Immerhin sind die Studentenproteste schon wieder eine Weile her. Geändert hat sich seitdem für Erlangen allerdings wenig. Tatsächlich wird in Bayern immer noch keine studentische Selbstorganisation gestattet, die in Gremien, Konventen oder sonstigen Ausschüssen einflussreiches Stimmrecht besitzt. Bereits 1973 wurde im Freistaat die Vollversammlung als konstitutive Struktur abgeschafft. Die Macht der Studenten ist also verschwindend gering. Sie soll nun allerdings zurück erkämpft werden. Mal sehen, wie aktiv sich die Studenten diesmal für ihre Belange einsetzen. Rainer Müller vom Sprecherrat zeigte sich jedenfalls zufrieden über die Resonanz. Viele Studenten wüssten auch gar nicht, wo sie sich wie einbringen könnten, da müsse mehr informiert werden. Ein guter Einstieg sei gemacht, nun müsse sich die Vollversammlung nur noch weiter etablieren. Am 25. Mai 2011 ist die nächste Vollversammlung geplant.
Weitere Infos gibt es auch unter www.stuve.uni-erlangen.de/Vollversammlung.
Johanna Meyr