Freeze!

Als der Theaterwissenschaftler und Dozent an der FAU Dr. Bormann in seinem Seminar „Move it!“ das Phänomen Bewegung genauer unter die Lupe nehmen wollte, hatten Friederike Meindl und Verena Buttmann sofort die Idee, ein Tableau Vivant zu machen. Vom ersten Treffen der Darsteller bis zur tatsächlichen Aufführung durfte ich ihr Projekt begleiten.

Doch was ist das eigentlich, ein „Tableau Vivant“? Wikipedia sollte mir bei dieser Frage auf die Sprünge helfen. Zu Deutsch „Lebendes Bild“ stellte man bereits im 18. Jahrhundert mit lebendigen Körpern Plastiken und Gemälde nach.

Bei den Oberammergauer Passionsspielen wird zum Beispiel sehr viel mit diesem Mittel gearbeitet und auch die golden oder silber angesprayten Personen in Fußgängerzonen, die in einer bestimmten Pose wie erstarrt herumstehen und sich nur bewegen, wenn sie Kupfergeklimper hören., zählen zu dieser Darstellungsform.

Tochter mit Schirm

Programmbild: Tochter mit Schirm

Die Geschichte, die sich Friederike und Verena ausgedacht hatten, hatte auf jeden Fall Spielfilmcharakter. Die alleinstehende Mutter (Maria Holtmannspötter) kommt in eine ödipale Situation mit ihrem Sohn (Dennis Dreher). Dabei ziehen sie sich wie Pole an und stoßen sich wieder ab, derart physisch, dass der Sohn sich stark an der Hand verletzt. Macht, Erniedrigung und Demut wechseln sich ab. Die Mutter richtet daraufhin jedes Jahr ein Fest aus, bei dem ihre Tochter (Tabea Bohnsack) und auch der Arzt (Peter Bauer), der den Sohn behandelt und ein Auge auf die Mutter geworfen hat, und seine Frau zugegen sind. Der Sohn steht im Zwiespalt zwischen seiner Mutter und seiner Freundin (Marlene Ruther). Sechs Personen also, zwei Männer und vier Frauen.
Doch wie sollte diese Geschichte dem Zuschauer verständlich gemacht werden?

Die impulsive Verena und die nachdenkliche Friederike  versuchten nach und nach der Realisierung näher zu kommen, alle Ideen wurden durchgesprochen. Sie mussten sich damit abfinden, dass vieles nicht möglich war.

In jeder Probe gewann das Bild an Form, obwohl sie mit Hindernissen konfrontiert wurden: Rosemarie, die Gattin des Arztes, musste abspringen, weil sie am Tag der Vorstellung keine Zeit hatte. Glücklicherweise hatte Regina Barthel Lust, spontan ihren Platz einzunehmen

Und auch Probenpläne zu erstellen war gar nicht so einfach. Vor allem nach der Absprache mit dem Technischen Leiter des Experimentiertheaters, Gerd Budschigk, wurde das deutlich, denn die Bühne ist ganz schön begehrt. Trotzdem setzte Gerd alle Hammer und Bretter in Bewegung (passend zum Thema), um für die Vorstellung einen Festsaal aus Malerplane und Latten zusammenzuzimmern. Auch wenn sich manche Ideen nicht realisieren ließen, hatten die Requisiten alle ihre besondere Funktion. Das Highlight war natürlich das gebratene Huhn auf dem weißen Beistelltischchen. Neben Silberbesteck. Ob dem Publikum dabei der Magen knurrte, war allerdings nicht zu vernehmen.

Schließlich gab es interessantere Dinge zu hören, wie das kindliche Kichern der Tochter, gespielt von Tabea … das sich im Zusammenspiel mit dem Glucksen des Arztes zu einem beklemmenden Lachorchester steigerte. Ob allerdings die leiernde Tanzmusik zum Feiern einladen konnte, wie der Arzt vorschlug, kann in Frage gestellt werden.

von rechts

Tableau Vivant

Erwähnenswert ist auch die Videoprojektion. Live filmte eine Kamera die Bühne, auf der ein Fernseher vorher gedrehte Szenen abspielte. Eingerahmt von schwarz-weißem Rauschen sah man Beziehungsgeflechte der Darsteller. Neid, Verzweiflung, Liebe, Schmerz. Durch die große Abstraktion und den teilweise eingesetzten Zeitraffer wirkte die ein oder andere Szene allerdings clownesk. Doch diese Art von Komik war in dem Gruselkabinett wohl recht willkommen.

Alles hat gut geklappt, und als die siebzehn Minuten Stillstehen vorbei waren, verbeugten sich alle erleichtert.

Eine erfolgreiche Vorstellung am 2. November im Experimentiertheater, die im Januar noch einmal in veränderter Form ihren Weg auf die Bühne finden wird. Man darf also gespannt bleiben. Freeze!

Johanna Meyr

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