Gestern abend am 30. Oktober 2010 amüsierte das „Tagebuch eines Wahnsinnigen“ die zahlreich erschienenen Zuschauer im Begegnungszentrum in der Fröbelstraße 6 in Erlangen. Die Kombination von Gogols „Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen“ und Tschechovs „Krankenzimmer Nr.6“ zog durch die beeindruckende Leistung Till Florian Beyerbachs das Publikum im Handumdrehen in seinen Bann.
Das Theaterstück begann geradezu bedrohlich, als Regisseur Bäno Axionov mit stechenden Augen die Reihen der Zuschauer musterte und nach geflüsterten Informationen seiner Sanitäter und einem herausgeschleuderten „Du!“ den Wahnsinnigen im Publikum anzeigte. Zunächst verunsichert und ungläubig trat der Schauspieler Till Florian Beyerbach auf die Bühne, um seinen hektischen Stimmungsreigen zu starten. Von Freude, Liebe, Schwärmereien bis hin zu Angst, Wut und Trotz wurde nichts ausgespart. In diesem Taumel entwickelten gerade die Momente der Ruhe, in denen die Hintergrundmusik stoppte und der Schauspieler in seinem Redefluss einhielt, eine besondere Intensität.
Und schon rollte der Fluss der Zeit weiter und dokumentierte den öden Lebensalltag eines Beamten, dessen Lebensaufgabe es ist, für seine Vorgesetzten Bleistifte anzuspitzen und dessen Leben sich erst mit Sophie, der Tochter seines Chefs, ändert. Von einer ersten Verliebtheit steigert sich die Emotion in geradezu absurde Besessenheit: z.B. wenn der Protagonist versucht, durch den Briefwechsel des Hündchens seiner Angebeteten Informationen über sie zu erhalten. Nachdem er Hunde hochgelobt und verständiger als die meisten Menschen dargestellt hat, muss aber auch der Protagonist entdecken, dass es in ihren Briefen um belanglose Banalitäten geht!
Die Hochzeit Sophies mit einem Landtagsabgeordneten versetzt dem Protagonisten den letzten Stoß. Fortan lebt er in seiner eigenen Welt – als König Ferdinand VIII. von Spanien.
Bei allen Absurditäten sind es jedoch die politisch angehauchten Statements, die besondere Wirkung entfalten: Ehrliche Leute leben von Luft und Liebe, „Wir brauchen Zeitungen mit einer ehrlichen Tendenz“, eine Donna sei als Königin von Spanien absolut ungeeignet, sich eitel schminkende Minister und nicht zuletzt ein mohammedanisches Frankreich sorgten für teilweise zurückhaltendes bis hin zu begeistertem Lachen im Publikum.
Einzig anzumerken bleibt, dass die enorme Geschwindigkeit und die unglaubliche Fülle an Informationen für den Zuschauer teilweise schwer aufzunehmen war.
Unterstützung fand Till Florian Beyerbach in dem zahlreich am Boden herumliegenden Papier, das sowohl als Stift, Brief, Papierflieger, Schirm oder einfach als Papier durch die Luft flog.
Schließlich wurde er mit donnerndem Applaus für seine herausragende Leistung belohnt!
Karima Wolter